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Vor allem zwischen dem dritten und dem achten Lebensjahr sind die "Lernfenster" für das Erlernen der Sprache weit geöffnet. Diese Zeit
will Ex-Landesrat Stemer nutzen.

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Siegi Stemer wird Claudia Schmied beraten.

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Siegi Stemer hat eine neue Aufgabe. Der im November zurückgetretene Vorarlberger Bildungslandesrat berät nun Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) in Sachen frühe Bildung. Und hier bestimmt derzeit die Sprachförderung die Debatte.

Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Einrichtung von Vorschulklassen für Kinder mit mangelhaftem Deutsch gefordert, Schmied war zunächst dagegen, jetzt kann auch sie sich punktuelle Vorschulklassen vorstellen. An der Erstellung eines Konzepts soll nun auch Stemer als Berater mit Werkvertrag in einem Team aus Experten und Ministeriumsmitarbeitern mitwirken - als Ex-Politiker und Pädagoge, wie Stemer betont. 

Ziel sei es, die "Reifekriterien" für den Schuleintritt zu verbessern. Der Übergang vom Elternhaus und dem Kindergarten müsse besser gelingen. "Kinder, die in die Regelklasse einer Volksschule eintreten, sollten so gut wie möglich dem Unterricht folgen können", sagt Stemer im Gespräch mit derStandard.at.

"Lernfenster" zwischen drittem und achtem Lebensjahr

Es gehe dabei nicht nur um Sprachfähigkeit, sondern auch um Gruppenfähigkeit, soziale Reife, das eigenständige Handeln der Kinder und regelmäßige Bewegung. "Kinder wollen lernen, haben aber unterschiedliche Ausgangssituationen. Manche kommen aus einem bildungsnahen, manche aus einem bildungsfernen und manche aus einem bildungsignorierenden Haushalt", sagt Stemer.

Das Ziel müsse sein, dass Kinder bis zum Ende der Volksschule die Bildungssprache Deutsch, aber auch Reden, Rechnen und Zuhören sicher erlernt haben. Dazu müsse auch das eine oder andere Projekt zurückgestellt werden, so Stemer, denn vor allem zwischen dem dritten und dem achten Lebensjahr seien die "Lernfenster" für das Erlernen der Sprache weit geöffnet.

Regionale Unterschiede

In der Debatte über die Einrichtung von Vorschulklasse verweist Stemer auf die regionalen Unterschiede und fordert einen "pragmatischen Weg". Die unterschiedlichen Standortverhältnisse im urbanen oder ländlichen Raum seien bei der Neuausrichtung der Sprachförderung zu berücksichtigen. Ziel müsse es sein, dass die Kinder so früh wie möglich die Unterrichtssprache Deutsch erlernen. Stemer: "Ein Kind, das in der ersten Klasse Volksschule nicht verstehen kann, was die Lehrerin oder der Lehrer kommunizieren will, hat keine Chance in seiner weiteren Bildungsbiografie."

Am Standort orientieren

Der ehemalige Landesrat fordert daher "standortgerechte" Modelle. Das könne unter Umständen auch die Schaffung einer Vorsschulklasse sein, wenn der Schulstandort keinen anderen Weg sieht, das Ziel eines gewissen Sprachniveaus zu erreichen. "Der Regelfall sollte sein, dass man das gut in eine Schuleingangsstufe integriert", so Stemer. Aber: "In vielen Fällen sind Vorschulklassen aufgrund mehrerer nicht erfüllter Reifekriterien im Interesse der Kinder sehr sinnvoll." Bei Fortschritten der Schüler sollen diese so bald wie möglich voll integriert werden.

Möglich seien aber auch parallel verschiedene Lösungen - auch Sprachförderungsmodelle, wie sie mit interkulturellen Lehrkräften in Niederösterreich oder anderen Bundesländern eingerichtet wurden. 

Stemer fordert auch eine Diskussion darüber, ob man nicht auch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr brauche, um den Übertritt der Schulanfänger zu verbessern. Eines der Hauptprobleme sieht Stemer darin, dass "die Gesellschaft keine Sprache mehr hat". Die Beschäftigung mit Lesen oder Reden sei "leider da und dort sehr stark zurückgegangen". Man müsse hier auch die Eltern in die Pflicht nehmen.

Ausbildung der Lehrer

Wichtig sei, dass die Lese- und Sprachförderung auch in die Ausbildung der Pädagogen integriert werde. "Ich habe den Eindruck, dass die heute tätigen Pädagogen sich in ihrer Ausbildung noch nicht ausreichend mit einer guten Diagnosefähigkeit befasst haben", sagt Stemer. Sprach- und Leseförderung sollen auch über die Volksschule hinaus Unterrichtsprinzip sein.

Trotz der intensive Debatte sieht Stemer Chancen auf eine Einigung: "Die Ansichten sind in den Grundzügen nicht so weit auseinander. Es geht ums Wollen", sagt der Ex-Politiker. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 15.1.2013)