Jeder trifft auf Bettler. Vor jedem Supermarkt steht einer/eine. An manchen Straßenzügen der Innenstadt sitzen sie so alle 50 Meter. Ob die jetzt "organisiert" sind und einen (Groß?)Teil des Erbettelten an irgendwelche Hintermänner abliefern müssen; ob sie jetzt großteils aus Rumänien, der Slowakei oder Bulgarien stammen oder heimische Drogenabhängige und/oder Obdachlose sind: Gut geht es denen ganz bestimmt nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hat das Bettelverbot im Lande Steiermark als verfassungswidrig aufgehoben, weil es total war und keine Ausnahmen zuließ. In der Praxis: Man kann "aggressives" Betteln (auch das gibt es, besonders von falschen Straßenzeitungsverkäufern, die kein "Nein" akzeptieren) verbieten, muss aber im Sinne der Menschenrechtskonvention "passives", stilles Betteln zulassen, urteilt das Höchstgericht.

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, ein Anhänger und Betreiber des totalen Bettelverbots meint, "im 21. Jahrhundert in Europa darf Betteln kein Beruf sein". Der katholische ÖVP-Politiker sollte sich von der Caritas oder von Pater Georg Sporschill einmal in die Elendsgebiete Osteuropas mitnehmen lassen, um zu erkennen, dass Betteln im Westen dort für viele die einzige Berufsmöglichkeit ist.

Das heißt nicht, dass nicht auch das Betteln vernünftig reguliert werden sollte. Humanität sollte der Maßstab sein, mit Realismus als Begleiter. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 12./13.1.2012)