"Tori and Mara" (Bernd Eischeid, Andreas Riegler) performten in der Leigh-Bowery-Ausstellung in der Kunsthalle.

Foto: Madame Pipistrelle

 Und schon lebt Leigh Bowery wieder!

Wien - Leigh Bowery lebt. Nein, nicht etwa nach dem Muster von Elvis-Sichtungen, und auch nicht als Double. Sondern in Performances wie jener von "Tori and Mara", den beiden "Gender-Crashern", die gerade ein "Act Up" im Ambiente der aktuellen Bowery-Ausstellung Xtravaganza in der Kunsthalle Wien aufgeführt haben (einmalig). Xtravaganza (der Standard berichtete) ist eine Installation aus Relikten, Kostümen, Videos und Dokumenten aus dem Schaffen des 1994 verstorbenen Fashion- und Performancekünstlers, der das Modedesign seiner Zeit stark beeinflusst hat.

Das Live-Erlebnis von Bowerys legendären Auftritten allerdings kann eine solche Schau nicht vermitteln. Und das Nachspielen als Rekonstruktion dieser Performances hätte einen allzu billigen, didaktischen Beigeschmack. Die beiden Künstler Tori Hole und Mara Gheddon, mit bürgerlichen Namen Bernd Eischeid und Andreas Riegler, haben eine andere Strategie gewählt und sich Leigh Bowery "angeeignet". Im Zusammenhang mit künstlerischer Performance heißt das "Appropriation". Diese öffnet mehr Raum für eigene künstlerische Gestaltung als ein Reenactment.

Und so ist Toris und Maras Bespiegelung von Bowery (Zitat: "Be your own best creation!") in der Kunsthalle eine Modenschau mit Musik knapp jenseits von jugendfrei geworden. Wie das weiland auch Bowery tat, traten Riegler und Eischeid in verschiedenen Kostümierungen ("Looks") auf, mit viel Posing und einem Hauch von Catwalk und Voguing-Tanz. Die Vorgänge von Umziehen und Umschminken waren dabei Teile der Aufführung, ebenso wie ein gut erkennbares Maß an Dilettantismus in den Bewegungen.

Denn das Publikum sollte Zeuge von veritablen Verwandlungen sein. Es sollte sehen, wie aus zwei spätjungen Durchschnittsmännern in Jeans, die sich zu Beginn ihre Künstlernamen an die T-Shirts sprühten, in kürzester Zeit phantastische Blüten aus Stoffen, Schminke, Schuhen und allerlei Accessoires werden können. Und wie schnell sich die Darstellung der Geschlechter verschiebt.

Riegler und Eischeid brachten vierzehn sorgfältig vorbereitete "Looks" mit, die von den beiden abwechselnd gezeigt wurden: "Perlenikone" oder " Weißer Hai", "Oma mit Polkadots", "Mustermilitär" und "Riot". Einer der Höhepunkte war eine Paraphrase auf Leigh Bowerys unheimlich wirkenden Look "Transformer Ensemble with Tutu Head" von 1991.

Die mit großem Körpereinsatz vorgeführten Kleidungs-Fetische enthielten, darin ganz Bowery entsprechend, auch sehr konkrete Anspielungen auf politische Symbole. Mit der Auflösung von Geschlechterstereotypen kam also eine Zerlegung von Zeichen des Militärischen und des Aufstands ins Spiel. Und das durchgehend unterlegt mit freimütigen sexuellen Anspielungen.

In diesem "Act Up" ereignete sich eine an Leigh Bowerys Destabilisierung der Zeichen angelehnte Vermischung von Mode, Genderaspekten, Sexualität und Politik. Aneignung gelungen. Bowery lebt!  (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 12./13.1.2013)