Die Zeitungen sind voll mit Erinnerungen und Berichten ehemaliger und derzeitiger Grundwehrdiener. Die allermeisten berichten von "verlorener Zeit", Langeweile, "systematischer Schikane" durch Vorgesetzte, "rauchen und saufen gelernt", wüsten Beschimpfungen durch die Ausbilder und Ausübung von nichtsoldatischen Tätigkeiten wie "Offiziersklo putzen".

Nun kann man der Meinung sein, dass bei einer Berufsarmee vielleicht der Dienstbetrieb inhaltsreicher und professioneller sein würde; aber angesichts des Personals, das dann in die Truppe drängt - Stichwort: vorwiegend Unterschichtler, die anderswo keinen Job finden -, wäre der Grundton im "Profi-Heer" wohl auch problematisch.

Aber hier geht es nicht um Berufsheer oder Wehrpflicht, sondern um die Frage, wie es im 21. Jahrhundert in einem demokratischen Heer möglich ist, dass Wehrpflichtige derart behandelt werden. Wenn die Volksbefragung in Richtung eines Wehrpflichtigenmodells ausgeht, womit durchaus zu rechnen ist, dann muss man sich ja die Frage stellen, ob es dann so unbefriedigend, kontraproduktiv und menschenunwürdig weitergehen soll.

Rekruten, die als Arschlöcher beschimpft und zum Kloputzen abgestellt werden - das kann es wohl in einer modernen demokratischen Armee nicht sein. Und selbst wenn man wie Michael Spindelegger und Gabi Burgstaller der Ansicht ist, dass ein bisschen Disziplin den Burschen schon nichts schadet: In den Allgemeinen Dienstvorschriften des Bundesheeres heißt es unter "Pflichten des Vorgesetzten": "Der Vorgesetzte hat seinen Untergebenen ein Vorbild soldatischer Haltung und Pflichterfüllung zu sein. Er hat sich seinen Untergebenen gegenüber stets gerecht, fürsorglich und rücksichtsvoll zu verhalten und alles zu unterlassen, was ihre Menschenwürde verletzen könnte."

Das mit der Menschenwürde ist wohl auch heute noch eine schwierige Sache (wenn man den Berichten zahlreicher, auch jüngerer, Bekannten glaubt). Es gibt allerdings eine "Bundesheer-Kommission" (früher BH-Beschwerdekommission), die Beschwerden von Soldaten über schikanöses und/oder missbräuchliches Verhalten von Vorgesetzten entgegennimmt. Man muss sich nur trauen, sie anzurufen. Der Sprecher von Verteidigungsminister Norbert Darabos, Stefan Hirsch, erklärt auf Anfrage, dass "der Minister extrem darauf schaut, solche Fälle nicht unter den Teppich zu kehren". Das entspricht wohl tatsächlich der inneren Einstellung von Darabos. Hirsch meint auch, dass das " Arbeitsklima" in einem Berufsheer besser wäre, u. a., weil sich dort mehr Frauen melden würden, die einen mäßigenden Einfluss ausüben.

Mag sein. Aber wenn es bei der Wehrpflicht bleibt, dann darf es nicht bei der einerseits unproduktiven, andererseits offenbar menschenrechtswidrigen Realität für die jungen Präsenzdiener bleiben. Niemand muss sich heute von einem frustrierten Vorgesetzten im Machtrausch schikanieren lassen. "Mobbing" wird im Arbeitsalltag oder in der Schule bekämpft, es gibt keinen Grund, warum das beim Militär anders sein sollte. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 12./13.1.2013)