STANDARD: Wie kamen Sie eigentlich in den Besitz von Alberto Kordas berühmtem Che-Guevara-Porträt?
Skrein: Das kann man nur unter Beachtung eines großen Zeitunterschieds erklären: Begonnen habe ich schon in den 1970er-Jahren damit, Fotos zu sammeln. Damals tat das noch niemand, weil Fotos noch nichts wert waren. Alle bedeutenden Fotosammlungen sind ja ab den 1980er-Jahren entstanden. Doch das Che-Bild habe ich erst 1995 gekauft.
STANDARD: War es zu diesem Zeitpunkt schon viel wert?
Skrein: Ja, ich habe sehr viel dafür gezahlt. Das war nur durch die Früchte meines Erfolgs beim Werbefilm möglich. Aber das wirklich Interessante ist: Selbst 1995 ist noch niemand auf die Idee gekommen, dass es vom berühmtesten Motiv dieses Kinderzimmer-Jugendlichen ja auch Originalabzüge geben muss.
STANDARD: Wie sind Sie draufgekommen?
Skrein: Ich wurde angerufen. Ein Kunsthändler, der kurz zuvor gerade ein Paket mit Fotografien von Korda gekauft hatte, war gestorben. Dieses Paket habe ich dann gekauft, und es war eben das eine Bild in einem Konglomerat unter 99 anderen dabei. Rund um dieses Foto habe ich schließlich begonnen, die kubanische Revolution zu sammeln.
STANDARD: "Die kubanische Revolution sammeln" – das klingt amüsant. Warum wollten Sie das?
Skrein: Ich habe mit 17 Jahren angefangen, Havanna-Zigarren zu rauchen. Deshalb habe ich dem Castro in den 1960er-Jahren geschrieben: "Ich bin jung und begeistert von den Zigarren, ich möchte gerne die Arbeit auf den Feldern kennenlernen." Ich schrieb ihm, damit er mich einlädt, denn man konnte ja nicht einfach ohne Einladung nach Kuba reisen. Als Antwort der Regierung kam sogar eine Einladung, aber ich war dann schon Werbefilmer und hatte eigentlich keine Zeit mehr.
STANDARD: Sie sind dieser Einladung nie gefolgt?
Skrein: Doch, aber erst Ende der 1970er-Jahre. Ich berief mich dabei auf den zehn Jahre alten Brief und bin dann doch noch hingefahren.
STANDARD: Was haben Sie dort gesehen?
Skrein: Den Fidel hab ich nie gesehen. Mein ganzes Leben nicht. Aber der Direktor der kubanischen Tabakwerke war damals sein Bruder, Raoul Castro. Der hat mir unter anderem die Partagás-Fabrik gezeigt. Und der Chauffeur des österreichischen Botschafters – ich wohnte damals beim Botschafter – hat mich auf die Felder geführt. Dort habe ich dann in natura erlebt, was ich schon aus der Literatur kannte. Erst durch die vielen Gespräche mit den Arbeitern konnte ich mich schließlich so gut informieren, dass ich ganz genau wusste, wer wo welchen Tabak anbaut.
STANDARD: Sie hatten nur Augen für den kubanischen Tabak?
Skrein: Zum einen habe ich damals Werbefilme für die österreichische Tabakregie gemacht. Und zum anderen arbeitete ich auch an einem Tabak-Buch. Dafür muss man eben wissen, dass die besten Tabakfelder etwa in Vuelta Abajo sind und dass die Zigarren natürlich nicht auf den Schenkeln von Damen gewickelt werden, sondern letztlich auch nur in Fabriken. So kam es zu meiner Affinität für Kuba.
STANDARD: Die Revolution selbst hat Sie nicht interessiert?
Skrein: Überhaupt nicht. Damals bin ich ja nicht einmal auf die Idee gekommen, dass es von der Revolution interessante Fotografien geben muss. Zuerst interessierten mich nur die Zigarren, und 30 Jahre später war es das Image der am meisten veröffentlichten Fotografie der Welt. Che ist die Mona Lisa der Fotografie! Gäbe es dieses eine Bild nicht, würde ich auch die Revolution rundherum nicht sammeln.
STANDARD: Welches Image haben Sie durch diese Fotos von Kuba?
Skrein: Ich sammle künstlerische Fotografien und deren Nimbus – nicht die politischen Ursachen. Ich interessiere mich schon für kubanische Politik. Aber eben für deren Dokumentation durch die Fotografie.
STANDARD: Ändert sich das Image, wenn man dort war?
Skrein: Ich muss sagen, ich bin schon ein wenig davon fasziniert, dass in Kuba wirklich jeder ein kulturelles und historisches Verständnis und eine Allgemeinbildung besitzt. Dort rennt keiner auf der Straße herum, ohne einen Universitätsabschluss zu haben – oder zumindest eine Matura.
STANDARD: Es gibt also doch so etwas wie eine Faszination für das revolutionäre Kuba?
Skrein: Die Faszination für Revolutionen kommt wohl auch davon, dass ich selbst ein protypischer 68er bin. Ich war ja zumindest in Wien überall anwesend, auch bei der "Uni-Scheißerei" (Uni-Ferkelei, Anm.). Nur eben als Fotograf. Dabei war ich also – immer mit Krawatte. Man ging ja damals nicht ohne Krawatte fotografieren.
STANDARD: Alberto Korda eher schon. Sie sind mehrmals nach Kuba gefahren – auch um Korda zu treffen?
Skrein: Nein, dafür war ich damals noch zu jung. 2001 haben wir ausgemacht, dass wir uns in Paris treffen. Am Vorabend meines Fluges habe ich noch einmal angerufen, da hat mir ein befreundeter Fotograf gesagt, dass er in der Nacht verstorben ist. Ich habe ihn nie getroffen.
STANDARD: Was fasziniert Sie an Kordas Kuba? Dass er in erster Linie Unpolitisches fotografierte?
Skrein: Nein, das ist es nicht. Spannender finde ich an ihm: Fotografen sind gut oder schlecht, aber sie brauchen immer Glück. Und der Korda hat eine Dodelsau gehabt, so bekannt zu werden. Der war ja drinnen in der Miliz, und genauso schlampig wie da herumgeschossen wurde, hat er auch fotografiert. Sehr, sehr schwierig für eine professionelle Sammlung wie die meine. Zudem hat er Fotos immer unter dem Namen "Studio Korda" gemeinsam mit seinem Bruder veröffentlicht – es ist also nicht einmal klar, ob das berühmte Che-Bild tatsächlich von ihm ist. Und doch ist es klar, denn Aristoteles hat gesagt: "Die Masse hat immer recht."
STANDARD: Was ist die Botschaft Ihrer Fotoausstellung über Kuba? Hinfahren und sich selbst ein Bild machen?
Skrein: Als Sammler von Dokumentationsfotografien kann meine Botschaft nur sein: Die Castro-Regierung war und ist enorm ausgeschlafen – und zwar auf dem PR-Sektor. Es gibt kein Ereignis und keinen halben Tag, bei dem während der letzten 50 Jahre kein Fotograf dabei gewesen wäre. Und die gesamte Revolution ist letztlich auf diesem einen symbolischen Porträt von Che Guevara mit dem Titel Guerrillero Heroico aufgebaut.
STANDARD: Ein einzelnes Bild ist so mächtig?
Skrein: Nein, es geht natürlich schon um das gesamte Image, das viele Bilder erzeugt haben. Aber ich gebe Ihnen ein Beispiel für die Macht dieser Fotos: Das wichtigste Ereignis im revolutionären Kuba war natürlich nicht der ikonenhafte Auftritt von Che, sondern der Einzug der Revolutionäre in Havanna. Die Frage ist nun allerdings, wie gestaltet man in dieser Hudelei dessen Image: Auf den historischen Fotos, die es ja auch gibt, fehlte immer jemand. Das Foto, das schließlich bekannt wurde, ist in aller Ruhe erst ein Jahr später als Symbolfoto geschossen worden. Dort wird halt PR betrieben wie auf der ganzen Welt – mit dem gleichen Schmäh. Von Lügen kann man ja nicht einmal reden.
STANDARD: Ist die Reisefotografie da anders?
Skrein: Das versuche ich gerade herauszufinden. Ich habe auf all meinen Reisen niemals Zeit gehabt, Sehenswürdigkeiten anzuschauen, geschweige denn diese professionell zu fotografieren. Nicht in Kuba, aber in Mexiko habe ich nun erstmals versucht, den touristischen Blick auf Sehnsuchtsorte einzufangen. (Sascha Aumüller, Rondo, DER STANDARD, 11.1.2013)