Zehn Tage vor der Volksbefragung über die Zukunft des Bundesheeres gewinnt die Debatte an Aggressivität, vor allem aber Skurrilität. Ihren Teil dazu beigetragen hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die sich - sollte die Wehrpflicht bestehen bleiben - einen freiwilligen Zivildienst für Frauen vorstellen kann. Die SPÖ gibt sich erbost und ortet die Bereitschaft des Koalitionspartners, über kurz oder lang auch eine Wehrpflicht für Frauen einzuführen. Die Wehrpflichtdebatte droht zu einer Genderdebatte zu werden, auch Gleichberechtigung wird ins Spiel gebracht. Dagegen würde im Prinzip nichts sprechen - wenn es nicht völlig am Kern der Frage vorbeiginge.

Tatsächlich schummelt sich die ÖVP nämlich am Bekenntnis vorbei, wie ihr Konzept für die Zukunft des Zivildienstes aussieht. Details zu ihrem neuesten Vorstoß, erklärt Mikl-Leitner, wolle sie nämlich erst nach erfolgter Abstimmung bekanntgeben. Dabei ist die Fragestellung recht simpel: Will man endlich die gesellschaftlich hoch relevanten, physisch und psychisch anstrengenden Jobs, die Zivildiener für einen Hungerlohn zwangsweise verrichten, auch monetär anerkennen? Oder will man die bestehende Ungerechtigkeit schlicht auf andere Bevölkerungsgruppen, in dem Fall Frauen, ausdehnen?

Denkbar sind eigentlich nur drei Varianten. Die erste: Die Bezahlung der freiwilligen Zivildienerinnen ist gleich wie die der männlichen Zwangs-Zivildiener - also lächerlich niedrig. Nur: Welche Frau sollte sich dann freiwillig einen solchen unterdurchschnittlich bezahlten Job auf Zeit antun? Zweite Variante: Die Gehälter männlicher wie weiblicher Zivildiener werden auf ein Niveau angehoben, das der gesellschaftlichen Relevanz der von ihnen geleisteten Arbeit entspricht und einen echten Lohn statt eines Taschengeldes darstellt. Dass Mikl-Leitner diese Budgetexplosion im Auge hatte, darf bezweifelt werden. Außerdem wird sich, wenn der Zivildienst auch noch besser bezahlt wird als der Grundwehrdienst, wohl nur mehr eine verschwindend kleine Gruppe für den Dienst an der Waffe entscheiden.

Die dritte Möglichkeit: Es gibt ein Mann-Frau-Gehaltsgefälle im Zivildienst, die freiwillig einrückenden Frauen verdienen also mehr als die unfreiwilligen Männer. Eine Idee, die schon aus verfassungsrechtlichen Gründen absurd ist.

Es darf davon ausgegangen werden, dass beiden Koalitionsparteien das Grunddilemma bewusst ist: Mit einem juristischen und politischen Kniff rekrutiert die Republik billige Arbeitskräfte im Sozial- und Gesundheitsbereich. Das muss sich ändern. Es ist für einen modernen Sozialstaat inakzeptabel, dass gute Teile des Systems, das ebenjenen am Leben erhält und ausmacht, von Zivildienern zu Dumpinglöhnen erhalten werden.

Die Menschen, die unsere Alten, Kranken und Schwachen versorgen und pflegen, müssen die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Tätigkeit auch in der Geldbörse spüren. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich bewusst und freiwillig für ein fair entlohntes Sozialjahr zu entscheiden. Sie haben es nicht verdient, zum Stopfen eines Budgetlochs benutzt zu werden, das durch die Mangelfinanzierung des Sozial- und Pflegebereichs bedingt ist.

Die Debatte, die wir führen müssen, ist eine Sozialdebatte, keine Genderdebatte. Dass die Politik sich davor drückt, ist eine Schande. (Anita Zielina, DER STANDARD, 10.1.2013)