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Das ewige Licht soll weiterbrennen - wenn auch elektrisch.

Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili

Es ist eine Geschichte über Schuld und Sühne, über Mord und die Ewigkeit. Es ist eine Geschichte über einen Bauern aus der Schweiz, der für eine Bluttat aus dem 14. Jahrhundert nicht länger an die Kirche zahlen wollte. Jetzt erlöste ihn das Kantonsgericht Glarus von der Last - nach "beträchtlichen rechtsgeschichtlichen Nachforschungen".

Von Anfang an: Konrad Müller aus Niederurnen geriet 1357 mit einem gewissen Heini Stucki in Streit. Der Zwist endete mit dem Tode Stuckis. Der Mörder aber litt unter Gewissensqualen und bat die Kirche um eine Art Ablass: Er werde als Sühne "bis in alle Ewigkeit" ein Licht in einer Kapelle für den Gemeuchelten scheinen lassen, Öl von den Nussbäumen seiner Güter würden den Brennstoff liefern. Auch seine Erben sollten für die Freveltat zahlen.

58 Euro pro Jahr

Müllers Nachkommen und alle späteren Eigentümer der vormals Müllerschen Ländereien zahlten weiter. Das ewige Licht für den ermordeten Heini Stucki flackert bis in unsere Tage in der katholischen Pfarrkirche St. Hilarius in Näfels - allerdings mit Strom betrieben, da die Nussbäume auf den Parzellen gefällt wurden. Die Schuld wurde seither nicht mit Öl, sondern mit Geld beglichen. Zuletzt waren es für die beiden Eigentümer jeweils etwa 58 Euro im Jahr.

Der stete monetäre Strom hätte die Pfarrei wohl noch Jahrhunderte beglückt, wäre nicht der jetzige Eigentümer eines der beiden Grundstücke, ein junger Landwirt, auf den Plan getreten. Die Kirche schickte ihm eine Rechnung für den Betrieb des ewigen Lichtes - 1158 Euro für die kommenden 20 Jahre. Der Mann aber sagte: Nein.

"Zeichen der Verbundenheit"

Einigungsversuche schlugen fehl, die Kirche zerrte den renitenten Bauern vor das Kantonsgericht Glarus. Man strebe nicht nach schnödem Geld, beteuerten die Vertreter der Pfarre - es gehe um "ein Zeichen der Verbundenheit mit unserer Geschichte".

Die Juristen wälzten Akten, vergruben sich in Gesetze des vergangenen Jahrtausends. Das Urteil: Die Zahlungsverpflichtung sei bereits im 19. Jahrhundert erloschen: "spätestens nach der im Kanton Glarus in den Jahren 1842 bis 1849 erfolgten Bereinigung des Hypothekarwesens".

Der Bauer kommentierte seinen Sieg eher lakonisch: "Es kommt, wie es kommt", sagte er. Die Kirchengemeinde in Näfels hingegen muss ihre Schatullen weit öffnen: Das Gericht verdonnerte sie zur Zahlung von 3300 Euro Justiz-Gebühren. Und der Bauer erhält von dem Kläger eine Entschädigung von 4135 Euro. Immerhin: Die Kirche gelobte, das ewige Licht weiter brennen zu lassen. (Jan Dirk Herbermann, DER STANDARD, 10.1.2013)