Ihr Weisungsrecht bei Politfällen will Karl keinesfalls abgeben, denn: "So einfach geht das nicht, mit Daumen rauf oder runter."

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STANDARD: Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, nun bei Transparency International, meint, das Land stecke "bis zu den Knien" im Korruptionssumpf - Übertreibung oder ein gerechtfertigter Vergleich?

Karl: Als Justizministerin will ich keine derartigen Vergleiche ziehen - vielmehr bin ich zum Handeln aufgefordert. Das Jahr 2012 war für die Justiz jedenfalls das Jahr der Korruptionsbekämpfung - und 2013 geht es darum, diesen Weg mit den neuen strafrechtlichen Bestimmungen konsequent fortzusetzen. Dabei ist mir wichtig, dass ohne Ansehen der Personen ermittelt und geurteilt wird.

STANDARD: Der aktuelle Bericht der OECD zur Bestechung ausländischer Amtsträger hält jede Menge rechtliche wie behördliche Mängel bei der Aufklärungsarbeit hierzulande fest. Überrascht über das harte Urteil?

Karl: Ich werde mir die Kritik natürlich Punkt für Punkt ansehen - und gegebenenfalls auch handeln.

STANDARD: Ein Kritikpunkt der Industriestaatenorganisation an Österreich ist, dass vom Justizressort "subtiler Druck" in sensiblen Causen ausgeübt wird. Im Gegensatz zu vielen Korruptionsexperten wollen Sie jedoch keinesfalls an Ihrem Weisungsrecht rütteln.

Karl: Weil wir im internationalen Vergleich ein sehr transparentes Weisungsrecht haben - auch der dänische Amtskollege verfügt über ein Weisungsrecht, dazu ist unseres wesentlich nachvollziehbarer als das von Deutschland. In der zuständigen Fachabteilung prüfen Staatsanwälte und Richter die jeweiligen Vorhabensberichte der Staatsanwaltschaft und legen dann eben ihre Empfehlung vor.

STANDARD: Und Sie heben oder senken dann Ihren Daumen, ob in Politfällen weiterermittelt werden soll oder eingestellt wird?

Karl: Also so einfach geht das auch wieder nicht, so mit Daumen rauf oder runter. Bei Weisungen geht es um eine klare rechtliche Bewertung, die schriftlich erfolgen muss und damit Teil des Aktes wird. Dazu müssen alle Weisungen einmal im Jahr in einem Bericht dem Parlament übermittelt werden - und dieser wird auch im Internet veröffentlicht.

STANDARD: Was spricht gegen einen unabhängigen Generalstaatsanwalt mit Weisungsrecht?

Karl: Ein solcher wird auch nicht völlig unpolitisch bestellt werden, wenn er vom Parlament gewählt wird.

STANDARD: Sechs Fraktionen müssten sich dann aber auf eine möglichst unabhängige Person einigen.

Karl: Die Kritik des Anscheins politischer Einflussnahme bei Polit-Causen kann damit aber nicht ausgeräumt werden. Das zeigen auch die Diskussionen in unseren Nachbarländern Deutschland, Schweiz oder Slowakei.

STANDARD: Der OECD missfällt auch, dass bei uns korrupten Unternehmen mildere Strafen drohen als Einzelpersonen. Gemäß dem "Verbandsverantwortlichkeitsgesetz" sind für Firmen bei einer Verurteilung wegen Bestechung bis zu 1,3 Millionen fällig, ein Einzeltäter kann mit bis zu 1,8 Millionen und fünf Jahren Haft belangt werden.

Karl: Tatsächlich wird in dem Bericht das " Verbandsverantwortlichkeitsgesetz" kritisiert. Im Zuge der großen Reform des Strafgesetzbuches bis 2015, bei der die Relation der Strafen bei allen Delikten überprüft und bei Unstimmigkeiten angepasst werden soll, werde ich auch hier evaluieren lassen, ob die Strafen für Unternehmen angemessen sind. Durch den OECD-Bericht ist mir jedenfalls klar geworden, dass es nicht reicht, allein das Strafgesetzbuch zu durchforsten - auch andere rechtliche Regelungen sind eventuell zu adaptieren.

STANDARD: Wie etwa das österreichische Bankgeheimnis, das der OECD-Bericht ebenfalls rügt?

Karl: Konkret rügt der Bericht die Einsprüche der Banken bei Kontoöffnungen, und zu dieser Frage werde ich mich auch mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie den Vertretern der Banken am besten noch im Jänner zusammensetzen, um die Einspruchspraxis zu besprechen.

STANDARD: Whistleblower, also Personen, die bereit sind, auszupacken, wollen Sie es nun leichter machen, an die Staatsanwaltschaften heranzutreten - wie konkret?

Karl: Derzeit gibt es nur die anonyme Anzeige - aber für die Ermittler wäre es oft sehr wichtig, dass sie an detailliertere Informationen herankommen. Whistleblower wissen etwa, dass in der dritten Schublade eines Schreibtisches belastende Unterlagen liegen. Mit dem Projekt wollen wir der Korruptionsstaatsanwaltschaft die Arbeit erleichtern, indem sie bei Hinweisgebern rück- und nachfragen kann.

STANDARD: Wie dringend ist für Sie eine U-Ausschuss-Reform, damit das Parlament die Aufklärungsarbeit der Staatsanwaltschaft unterstützen kann?

Karl: Ehrlich gesagt: Die Staatsanwaltschaft braucht das Parlament nicht für die Ermittlungsarbeit. Denn gerade durch den U-Ausschuss zu den Korruptionsaffären ist sehr deutlich geworden, was die Staatsanwaltschaft alles an Arbeit leistet. Von ihr stammten ja all die Akten, aus denen die Abgeordneten zitiert haben.

STANDARD: Dann war der U-Ausschuss für Sie also eher ein PR-Instrument für die Staatsanwaltschaft als ein Aufklärungsinstrument?

Karl: Zugespitzt formuliert gebe ich Ihnen da durchaus recht! Was Details zur U-Ausschuss-Reform betrifft, mische ich mich nicht ein, denn diese Reform ist allein Sache des Parlaments. Der Justiz geht es um die strafrechtliche Verantwortung, in U-Ausschüssen geht es um die politische Verantwortung - das sind verschiedene Dinge.

STANDARD: Mit 2013 ist nun das "Anfüttern" von Regierungsmitgliedern, Landeshauptleuten, Abgeordneten und Bürgermeistern verboten, nachdem das Gewogenmachen mit Geschenken und Einladungen ab 2009 weitgehend straffrei war. Dennoch muss für eine Verurteilung der Vorsatz für ein Geschäft nachgewiesen werden - damit ist das Ganze doch totes Recht ...

Karl: Keineswegs. Hier ist uns vielmehr eine echte Verschärfung mit der Zustimmung aller Fraktionen im Parlament gelungen. Und nun müssen wir genau beobachten, wie das Gesetz wirkt. Gibt es Lücken, kann es auch da Nachschärfungen geben.

STANDARD: Würden Sie Politikern bis dahin empfehlen, weiterhin teure Jagdeinladungen anzunehmen?

Karl: Grundsätzlich würde ich jedem Politiker davon abraten - aber es kann natürlich auch bedenkenlose Fälle geben, dass jemand nur von guten Freunden dazu eingeladen wird. Nicht jede Einladung bedeutet ein Anfüttern - und Gott sei Dank haben ja auch noch Politiker Freunde. (Michael Möseneder/Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 10.1.2013)