Fünf Monate vor den Präsidentschaftswahlen im Iran beginnen die Spekulationen über die Kandidaten. Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad darf ja nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren, aber er bleibt mit seinen kolportierten Wunschkandidaten im Spiel. Die konservative Zeitung Keyhan, die ihn lange unterstützt hat, kritisierte ihn Anfang der Woche in einem Leitartikel scharf und bezeichnete auch gleich seine Weggefährten als nicht geeignet für seine Nachfolge.

Damit ist vor allem Esfandiar Rahim Mashaie, früherer Bürochef Ahmadi-Nejads und ihm auch verwandtschaftlich verbunden, gemeint. Mashaie, der auch einmal ganz kurz Vizepräsident war, ist sehr umstritten, unter anderem hat er mit Äußerungen über das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel für politischen Wirbel gesorgt: Es gebe keine historische Feindschaft zwischen den beiden Völkern, sondern nur politische Differenzen, hatte er gesagt.

Mashaie gilt auch als Erfinder der "Iran first"-Ideologie (im Gegensatz zu "Islam first"). Obwohl er deshalb vom Establishment als Abweichler bezeichnet wurde, hat Ahmadi-Nejad immer an ihm festgehalten. Dafür wurde er auch direkt vom religiösen Führer Ali Khamenei getadelt.

"Ausgeschaltetes Licht"

Die Erfahrungen mit Ahmadi-Nejad lässt die Vermutung zu, dass er neben Rahim Mashaie auch andere Personen in petto hat, die erst in letzter Minute, falls dieser nicht kandidieren darf, in Erscheinung treten werden. "Mit ausgeschaltetem Licht" wird diese Taktik, die Ahmadi-Nejad mit Erfolg auch bei anderen Wahlen angewandt hat, im Iran genannt.

Sicher dürfte sein, dass die Konservativen die Präsidentenwahl unter sich ausmachen werden. Die Reformer konnten sich bis dato auf keinen Kandidaten einigen. Auch die Vermutung, dass Mohammed Khatami, Präsident von 1997 bis 2005, noch einmal in den Ring steigen will, blieb bisher unbestätigt.

Mehrere politische Weggefährten Khatamis würden wohl gerne antreten - bei der jetzigen politischen Situation haben sie jedoch nur geringe Chancen, zur Kandidatur zugelassen zu werden. Es ist auch fraglich, ob sie das ehemalige Khatami-Lager wirklich mobilisieren könnten. Die laut Meinung vieler gefälschten Wahlen von 2009 und die Repression nach den darauf folgenden Protesten sitzt den Iranern und Iranerinnen tief in den Knochen.

Auf konservativer Seite rechnet man mit der Kandidatur des früheren langjährigen iranischen Außenminister, Ali Akbar Velayati. Neben ihm haben auch der jetzige Parlamentspräsident Ali Larijani und der frühere Parlamentspräsident Gholam-Ali Haddad-Adel Ambitionen, ebenso der Oberbürgermeister Teherans, Mohammad-Bagher Ghalibaf. Ghalibaf ist vor acht Jahren bereits einmal angetreten, hatte aber gegen den damaligen Favoriten des religiösen Establishments, Ahmadi-Nejad, keine Chance. Als moderater Kompromisskandidat wird auch der jetzige Außenminister Ali Akbar Salehi des öfteren genannt.

Velayati wäre Favorit

Sollte jedoch Velayati wirklich zu den Wahlen antreten, ist er unter den gegebenen Umständen zweifellos der stärkste Kandidat. Er war 19 Jahre lang Außenminister - sogar im Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Mir-Hossein Mussavi, dem offiziellen Verlierer der Wahlen 2009, der seit den darauf folgenden Unruhen in Hausarrest sitzt. (N.N., DER STANDARD, 10.1.2012)