Caracas - Der Amtsantritt von Hugo Chávez ist geplatzt, Venezuelas Präsident muss seine Krebstherapie in Kuba fortsetzen. Das Parlament stützt den "Comandante", die Opposition beklagt einen Verfassungsbruch. Der Kampf um die Verfassung und die Macht an der Staatsspitze ist voll entbrannt.

Die Parteifreunde und Anhänger von Chávez planen laut Medienberichten eine Zeremonie mit "heftiger Akklamation" für das kranke Staatsoberhaupt. Auch befreundete Staatschefs aus lateinamerikanischen Ländern werden erwartet.

Chávez kann wegen seiner lebensbedrohenden Krebserkrankung am Donnerstag seine neue Amtszeit nicht antreten. Das Parlament billigte in einer umstrittenen Entscheidung die Verschiebung. Die Opposition pocht darauf, dass wegen der "temporären Abwesenheit" des Staatschefs laut Verfassung Parlamentspräsident Diosdado Cabello das Amt übernehmen muss.

Verschoben

Die medizinische Behandlung des erklärten USA-Gegners Chávez müsse über den 10. Jänner hinaus fortgesetzt werden, teilte Cabello mit. Deshalb könne der 58-Jährige nicht wie geplant zur Vereidigung vor der Nationalversammlung in Caracas erscheinen. Cabello las ein entsprechendes Schreiben vor, das die Unterschrift von Vizepräsident Nicolás Maduro trug.

Die Nationalversammlung (Parlament) billigte am Dienstagabend mit der Mehrheit der regierenden Sozialisten eine Vorlage, mit der Chávez' Amtsvereidigung verschoben wird. "Präsident Chávez, diese ehrenwerte (National-)Versammlung gibt Ihnen die notwendige Zeit, die Sie zur Genesung und zur Rückkehr nach Venezuela brauchen ... Passen Sie auf sich auf, Präsident, Gott segne Sie", sagte der in der Vorwoche gewählte Parlamentspräsident Cabello.

Er sieht wie auch Maduro in dem Amtsantritt am 10. Jänner lediglich eine Formalität. Der Datum, das zähle, sei der 7. Oktober, an dem Chávez klar wiedergewählt worden sei. Die Opposition sieht die laufende Amtszeit von Chávez dagegen am 10. Jänner definitiv als beendet an. Wenn Vize-Präsident Maduro sein Amt nach diesem Datum weiter ausübe, dann sei dies eine gesetzeswidrige Machtergreifung, sagte der Oppositionspolitiker Omar Barboza. Vom 10. Jänner an müsse deshalb Parlamentspräsident Cabello das Amt des Präsidenten übernehmen.

Informationsminister Ernesto Villegas konterte via Twitter: "Die einzige Weise, bei der der Parlamentspräsident das Amt des Staatschefs übernimmt, ist, wenn eine absolute Abwesenheit (von Chávez) (Art. 233) erklärt wird."

"Schwerer Verstoß gegen verfassungsmäßige Ordnung"

Nach der Verfassungsinterpretation der Regierung kann und soll Chávez zu einem späteren Zeitpunkt den Amtseid vor dem Obersten Gerichtshof (TSJ) anstatt vor der Nationalversammlung ablegen. Der frühere oppositionelle Präsidentschaftskandidat und im Dezember wiedergewählte Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles, sprach von einem Verfassungskonflikt und forderte den Gerichtshof auf, schnell für Klarheit zu sorgen. Die Gerichtshof-Präsidentin Luisa Estela Morales wollte dazu am Mittwoch eine Pressekonferenz abhalten.

Wenn Chávez seinen Amtseid am Donnerstag nicht leiste, sei das ein "schwerer Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung", erklärte der Vorsitzende der Oppositionsbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD), Ramón Aveledo. Dann müsse es Neuwahlen geben. In einem Brief an die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) warnte die MUD vor einer Verletzung der Verfassung.

Verteidigungsminister Diego Molero Bellavia sicherte Vize-Präsident Maduro die Unterstützung der Streitkräfte zu. Für Donnerstag riefen die Sozialisten in Caracas zu einer Großkundgebung auf. Vermutlich werden Zehntausende Chavistas zum Präsidentenpalast Miraflores ziehen, um ihre Unterstützung für den seit 1999 regierenden Chávez zu zeigen. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie soll es auch zu einer desmostrativen "Akklamtion" des Präsidenten kommen, wie spanische und lateinamerikanische Medien berichteten.

Heikler Gesundheitszustand

Auch mehrere Staatschefs aus der Region werden in Caracas erwartet, darunter Boliviens Präsident Evo Morales und sein Amtskollege aus Uruguay, José Mujica. Aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern kamen Solidaritätsbekundungen für den kranken Staatschef, der seit Juni 2011 bereits vier Mal operiert werden musste. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández will voraussichtlich am Freitag nach Havanna fliegen, um Chávez zu besuchen.

Chávez war am 11. Dezember zum vierten Mal in Kuba wegen eines Tumors operiert worden. Sein Gesundheitszustand gilt infolge einer zusätzlichen Atemwegserkrankung sowie einer Lungenentzündung als heikel.

Der Linksnationalist steht seit 1999 an der Spitze des ölreichen Landes, im Oktober wurde er mit fast 55 Prozent der Stimmen für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt. Der MUD-Spitzenkandidat Capriles kam auf knapp 45 Prozent. (APA, 8.1.2013)