Die Erwartungshaltung war hoch, der Zeuge war als "Kronzeuge" angekündigt. Er würde den Angeklagten Alfons Mensdorff-Pouilly schwer belasten, das hat er schließlich schon einmal getan, und zwar in dem britischen Verfahren gegen BAE Systems, für die Mensdorff-Pouilly gearbeitet hat. Mark Cliff, ein Vermögensberater aus Großbritannien, machte per Videoschaltung seine Aussage - und enttäuschte die Erwartungen. Die Staatsanwaltschaft schrammte an einer Blamage vorbei, konnte am Ende dieses Gerichtstages aber dennoch zufrieden sein.

Ankläger Michael Radasztics betritt am Dienstagvormittag als erster den Saal. Er wirkt ernster als bisher, setzt sich, blättert konzen triert seine Akten durch und blickt dabei nicht auf. Die Erwartung, dass der Zeuge Mark Cliff Mensdorff wie schon im britischen Verfahren schwer belasten könnte, lockt viele Besucher ins Straflandesgericht. Sie wissen noch nicht, dass weder Cliff noch die zweite Befragte, eine ehemalige Mitarbeiterin Mensdorffs, den Strafantrag stützen werden - zumindest nicht direkt. Denn die beiden Zeugen einen zwei Eigenschaften: schlechtes Erinnerungsvermögen und wenig Interesse, die Arbeiten, die sie für den Angeklagten erledigt hatten, zu hinterfragen.

Mark Cliff ist der ehemalige Vermögensberater von Timothy Landon, dem Mann, über den Mensdorff zum britischen Rüstungsunternehmen BAE Systems kam und den er seinen "Mentor" nennt. Dem Angeklagten wird laut Strafantrag vorgeworfen, von diesem Konzern über mehrere Briefkastenfirmen rund 12,6 Millionen Euro bekommen zu haben - mit dem Zweck, Entscheidungsträger in Zentral- und Osteuropa bei militärischen Beschaffungsvorgängen zu beeinflussen.

Im Straflandesgericht sagt Cliff via Videokonferenz aus. Er sitzt währenddessen im Hastings Magistrates Court in der englischen Grafschaft East Sussex. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass er seine detaillierten Angaben gegenüber der britischen Antikorruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) schon vor Jahren gemacht habe und sich nicht mehr an alles erinnern könne, was er damals zu Protokoll gab. Und auch sonst zeigt er sich wenig auskunftsfreudig, schaut während der Befragung immer wieder auf die Uhr und muss mehrfach aufgefordert werden, direkt ins Mikro zu sprechen.

Nachdem ihn Richter Stefan Apostol belehrt, dass er nach österreichischem Recht keine Fragen beantworten müsse, mit denen er sich selbst einer Straftat bezichtigen würde, bedauert Cliff, keinen Anwalt mitgenommen zu haben. Er wirkt genervt und an der Aufklärung wenig interessiert. Mensdorff sitzt während der Zeugeneinvernahme mit zusammengepressten, geschlossenen Augen auf der Anklagebank, hört angestrengt zu. Doch es scheint, er hat nicht viel zu befürchten - die häufigste Aussage Cliffs: "Das kann ich leider nicht beantworten."

Und doch könnte Cliff der entscheidende Belastungszeuge für die Staatsanwaltschaft sein. Denn was er auch immer wieder bekräftigt: Seine Aussagen gegenüber dem SFO seien korrekt. Er will zwar nicht wiederholen, dass mit Sicherheit Bestechung stattgefunden hat und es zu "Drittzahlungen" kam, dennoch kann die österreichische Justiz nun weite Teile der in wochenlanger Arbeit vom SFO zusammengetragenen Protokolle für die Urteilsfindungen verwenden. Vor dem Wiener Richter belastet Cliff Mensdorff jedoch nur, indem er die Briefkastenfirma Brodmann, mit der der Angeklagte nichts zu tun haben will, diesem zurechnet.

Auch die zweite Zeugin, Susanne L., ist wenig auskunftsreich. Die studierte Juristin und zeitweilige Geschäftsführerin von Mensdorffs Firma in Prag will nur Sekretariatstätigkeiten erledigt haben und Diktate aufgenommen - um was es dabei konkret ging, habe sie nie nachgefragt. Während ihrer Befragung sitzt Mensdorff wieder entspannt auf der Anklagebank. Als sie zu Beginn gefragt wird, ob sie glaube, dass Mensdorff ihr vertraue, lehnt sich dieser zurück, lächelt ihr freundlich, fast väterlich zu. Sie sagt, dass könne sie nicht beurteilen. Staatsanwalt Radasztics zieht die Schultern nach oben und schüttelt den Kopf.

Da sämtliche Zeugen aus dem BAE-Umfeld nicht vor dem Wiener Straflandesgericht erscheinen werden, wird erst am 16. Jänner fortgesetzt. Am Tag darauf soll das Urteil verkündet werden.(Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 9.1.2013)