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Geschäftsflächen am Wiener Kohlmarkt: Wer sich einmieten will, zahlt bis zu 390 Euro je Quadratmeter.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Für den Handel entwickelt sich Wien zu einem der teuersten Pflaster der Welt. Auf dem Kohlmarkt werden Mietpreise von bis zu 390 Euro netto im Monat pro Quadratmeter Geschäftsfläche bezahlt. Wer in die Mariahilfer Straße einziehen will, muss bis zu 150 Euro auf den Tisch legen, erhob der Immobiliendienstleister EHL.

Eine Umfrage seines Partners Savills unter hundert stark expandierenden Handelsketten macht Österreich als den am zweitstärksten nachgefragten Markt Europas aus. Konzerne wie Primark, Desigual, Hollister und Abercrombie & Fitch suchen intensiv nach Standorten. 40 Prozent der Immobilieninvestitionen im Gewerbe entfielen im Vorjahr auf den Handel - der Büromarkt hat damit seine dominierende Stellung verloren.

Der Handel sehe Österreich als sicheren Hafen mit robustem Konsum, sagt EHL-Experte Jörg Bitzer. Im Luxussegment gebe es Nachholbedarf, ansonsten aber müsse man die Kirche im Dorf lassen, relativiert Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands.

Ausnahmen

Auch wenn Österreich neben der Schweiz und Deutschland ein Kernmarkt für expansionsfreudige Händler sei - euphorische Investitionen in entsprechende Immobilien sehe er keine. Standorte, an denen sich Spitzenmieten erzielen lassen, seien die Ausnahme. In der Regel bestimmten mittlerweile die Mieter den Preis. In den schwachen Lagen stiegen die Leerstandsraten. Der Einzug von Wettbüros und Billigläden überdecke die Probleme dort nur kurzzeitig, bestätigt man bei EHL. Zum Vergleich: Täglich flanieren rund 125.000 Besucher am Wiener Graben, die Landstraße-Hauptstraße passieren lediglich 20.000.

Insgesamt wuchs das Transaktionsvolumen auf Österreichs Immobilienmarkt im Vorjahr um gut zwölf Prozent auf 1,65 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte ging auf ausländische Konten, primär auf jene deutscher Fonds. Auch Investoren aus Asien und dem arabischen Raum kauften sich vermehrt in Österreich ein. Heuer erwartet die Branche Zuwächse von rund zehn Prozent.

Mehr eigenes Geld

Risikofreudige und opportunistische Deals würden aber weniger, meint Michael Ehlmaier, Chef der EHL, die mit 160 Mitarbeitern Immobilien in Österreich und Osteuropa bewertet und vermittelt. Bezahlt werde zusehends mit Ei- gen- anstelle von Fremdkapital.

Kein Ende des Booms sei heuer bei den Wohnimmobilien absehbar, wenngleich die Zuwachskurve abflache. Die Preise für Eigentumswohnungen stiegen in Wien 2012 im Schnitt zwischen zwei und zehn Prozent, die Mieten zogen um durchschnittlich vier Prozent an. In der Hauptstadt entstehen jährlich 5000 bis 6000 neue Wohnungen. Bis zu 10.000 seien nötig, um den Bedarf zu decken, rechnen Fachleute vor. Denn der Anteil der Singlehaushalte erhöhe sich künftig von 42 auf 50 Prozent. Wien wachse zudem bis 2040 zu einer Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt heran. Eine Immobilienblase ortet EHL nicht: Bei den Finanzierungen würden Eigenkapitalanteile von im Schnitt 70 Prozent beobachtet. Das sei Rekord.

Erlahmt ist der Büromarkt. Der Bau neuer Flächen ist in Wien auf einem historischen Tief, viele früheren Bürogebäude werden zu Hotels. Die Leerstandsrate pendelt sich bei sieben Prozent ein - ein international allerdings niedriger Wert. Angetrieben von Großvermietungen wie dem gut 220 Meter hohen DC Tower soll die Vermietungsleistung heuer steigen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 9.1.2013)