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Der aktuelle und der möglicherweise zukünftige FDP-Chef.

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FDP-Führungsriege beim Neujahrstreffen: Parteichef Philipp Rösler (rechts), Rainer Brüderle (links), Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und als Nachfolger Röslers gehandelt. Weiters: Generalsekretär Patrick Döring (hinten links), der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Wirtschaftsminister Dirk Niebel und Hans-Ulrich Rülke.

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Jan Treibel: "Rainer Brüderle wird wohl eine Art Übergangslösung als FDP-Vorsitzender darstellen."

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Bittere Nachrichten für FDP-Chef Philipp Rösler kurz vor der Landtagswahl im deutschen Bundesland Niedersachsen: Gerade noch zwei Prozent der Wähler würden den Freien Demokraten derzeit deutschlandweit ihre Stimme geben. Auch in Niedersachsen ist es fraglich, ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde schaffen wird. Das würde das Aus der schwarz-gelben Regierung unter David McAllister (CDU) bedeuten.

Der Politologe Jan Treibel von der Universität Duisburg-Essen erläutert im derStandard.at-Interview, wie es so weit kommen konnte und warum der in der Vergangenheit viel kritisierte Rainer Brüderle nun die große Hoffnung für die Bundestagswahl im Herbst ist.

derStandard.at: Die Wahl in Niedersachsen am 20. Jänner wird in vielerlei Hinsicht als Test für die Bundestagswahl gesehen. Wäre eine Niederlage in Niedersachsen schon der Untergang der FDP?

Treibel: Landtagswahlen haben in Deutschland eine große bundespolitische Bedeutung. Das Scheitern bei einer Landtagswahl bedeutet aber noch nicht automatisch, dass es Auswirkungen auf die Bundestagswahl gibt.

Die FDP befindet sich allerdings schon seit 2010 in einer großen Vertrauenskrise. Bis auf zwei Ausnahmen hat die Partei seit 2009 eine Niederlage bei Landtagswahlen nach der anderen eingefahren. Außerdem hat Niedersachsen eine der letzten schwarz-gelben Landesregierungen. Und sollte die FDP die Fünf-Prozent-Hürde hier nicht schaffen, wäre das auch das Ende der niedersächsischen Koalition. Ein Szenario, das bei der Bundestagswahl ähnlich aussehen könnte. Und: Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler ist Niedersachse. Auch insofern wäre ein Scheitern wohl ein Signal für die Bundestagswahl.

derStandard.at: Warum konnte sich die FDP bisher nicht erholen? War Rösler eine schlechte Wahl?

Treibel: Das ist sicher nicht allein Röslers Schuld. Die fundamentalen Fehler wurden rund um die Bundestagswahl 2009 unter Guido Westerwelle gemacht. Einer davon war, sich auf das eine Thema der Steuersenkung zu konzentrieren. In der Bundestagswahl hat man zwar davon profitiert, das programmatische Profil der FDP hat aber darunter gelitten. Man hatte auch das Problem, dass man es in den Koalitionsverhandlungen nicht geschafft hat, das Finanzministerium für sich zu reklamieren. In den anderen Politikfeldern wiederum konnte man keine glaubhaften Kompetenzen vorweisen.

Spätestens seit dem Frühjahr 2010 wird die FDP außerdem in der Öffentlichkeit sehr kritisch gesehen. Damals wurde medial eine Verbindung zwischen der Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers und einer Spende eines großen Hoteliers an die FDP hergestellt. Es wurde aus Gründen der Personalknappheit nicht adäquat auf diese Vorwürfe reagiert.

Westerwelle hat vor allem den Fehler gemacht, dass er alle zentralen Akteure in die neue Regierung zog und damit in der Parteizentrale ein Vakuum erzeugte, das erst Monate später mit Christian Lindner als neuem Generalsekretär gefüllt wurde. Rösler hat 2011 als Parteivorsitzender übernommen und den Fehler gemacht, diesen Niedergang nicht mit neuen Akzenten aufzuhalten.

derStandard.at: Nach dem Dreikönigstreffen der FDP wurde Entwicklungsminister Dirk Niebel scharf kritisiert, der indirekt eine Abwahl Röslers gefordert hatte und damit die Personaldebatte kurz vor der Niedersachsen-Wahl neu entflammte. Was ist seine Intention dahinter?

Treibel: Niebel wird innerhalb der Partei stark für seine Art kritisiert. Trotzdem sprach er aus, was viele Mitglieder an der Basis denken: Mit Rösler als Spitzenkandidat kann man nicht in die Bundestagswahl gehen. Aus Sicht der Partei war es unklug, das in einem derart öffentlichen Forum zu sagen.

Abseits davon gibt es auch in der FDP regionale Machtflügel. Niebel vertritt den zweitmächtigsten Landesverband Baden-Württemberg, der ebenfalls in eigene Führungsprobleme verstrickt ist. Die Baden-Württemberger wollen nun mit Hilfe von Niebel innerhalb der FDP wieder mehr Einfluss erlangen. Und sollte die FDP ihre Regierungsverantwortung auf Bundesebene verlieren, wird es auch schwierig, alle ehemaligen Minister in guten Positionen unterzubringen. Hier versucht Niebel sich bereits aussichtsreich zu positionieren.

derStandard.at: Im Mai wird der FDP-Vorsitzende gewählt, noch ist unklar, ob Rösler antritt.

Treibel: Das ist offen, ja. Wenn die Wahl in Niedersachsen für die FDP schlecht ausgeht, könnte das dazu führen, dass Rösler zurücktritt beziehungsweise der Parteitag vorgezogen wird. Es ist natürlich ein großes Risiko, so kurz vor einer Bundestagswahl das Personal komplett auszuwechseln, aber im Hinblick auf die bedrohliche Situation der Partei wird die FDP das wohl tun müssen.

Allerdings zeigt die Wahlforschung, dass die FDP in den erfolgreichen 2000er Jahren nicht wegen ihres Spitzenkandidaten Westerwelle gewählt wurde, sondern weil sie ein klares programmatisches Profil in Steuer- und Wirtschaftspolitik hatte. Daran sollte die Partei auch 2013 versuchen anzuknüpfen.

derStandard.at: Brüderle gilt als derjenige, der bereits in den Startlöchern für die Nachfolge Röslers ab Mai steht.

Treibel: Rainer Brüderle wird wohl so eine Art Übergangslösung als FDP-Vorsitzender darstellen. In der Krise klammert man sich anscheinend an die alten liberalen Tugenden, die Brüderle vertritt. Sein Ansatz von Liberalismus wird zwar langfristig die Partei nicht retten, aber zwischenzeitlich wäre er wohl eine gute Lösung, da er besonders den alten Mittelstand an die Partei binden kann.

Krisensituationen kennt die FDP zum Beispiel aus den 90ern, als sie zeitweilig nur in drei Landtagen vertreten war. Allerdings war die Partei noch nie nicht im Bundestag. Das wäre für sie eine schwierige Situation.

derStandard.at: Und wenn die FDP in Niedersachsen über fünf Prozent liegt?

Treibel: Sollte die CDU noch stärker für die FDP werben und die Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, könnte das Rösler stärken.

derStandard.at: Die Haltung der CDU in dieser Frage ist allerdings nicht eindeutig. Einerseits sprechen sich Merkel und McAllister gegen eine Zweitstimmen-Kampagne aus, andererseits ruft Merkel zur Fortsetzung der erfolgreichen schwarz-gelben Landesregierung in Niedersachsen auf. Wie ist die Strategie der CDU auf Bundesebene im Umgang mit der strauchelnden FDP?

Treibel: Was Sie beschreiben, passt zum grundsätzlichen Führungsstil von Angela Merkel, zu taktieren und abzuwarten. Die Union hat auf der Bundesebene gemerkt, dass eine Regierung mit der FDP große Probleme mit sich bringen kann. Die CDU kann aber auch relativ schlecht offensiv für eine andere Koalition werben. So gesehen ist dieses Abwarten auf der einen Seite keine komplette Absage an das Bündnis, auf der anderen Seite aber eine moderate Öffnung für neue Bündnisse wie Schwarz-Grün oder eine Große Koalition. Auf der Bundesebene wären ja viele Konstellationen möglich, legt man die Umfragen zugrunde. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 9.1.2013)