Die abgeschlagene Email-Bratform der Oma sollte laut Johanna Foisner von der AGES schon aus hygienischen Gründen entsorgt werden.

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Es gibt kaum eine Küche, privat oder professionell, in der die Koch-Utensilien nicht zum Einsatz kommen: abgeschlagene Emailkochtöpfe oder -bräter, angekratzte Teflonpfannen und altes "Blech"-Geschirr von Oma.

Auch völlig neu ausgestattete Küchen bergen Risikopotenzial: Schüsseln, Becher, Kochlöffel oder "Küchenfreunde" aus Melaminharz. Alle genannten Materialien stehen seit längerer Zeit - wie Teflon und Email - oder erst seit kurzem - wie Melamin und Aluminium - in Verdacht, Krebs, Demenz und andere Erkrankungen zu begünstigen.

Eine Sache der Hygiene

"Ausgeschlagenes Email ist angeblich gesundheitsgefährdend", lautete die kritische Stimme eines Posters im Lifestyle-Channel auf derStandard.at angesichts eines Moussakas im Oma-Reindl. "Brätst Du auf dem Herd mit zu hohen Temperaturen, treten Gase aus dem Kunststoff Teflon aus", ist in einem anderen Forum zu lesen, "das ist so giftig, dass Vögel davon sterben können!" Was ist dran an solchen Behauptungen?, fragen wir bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) nach.

"Grundsätzlich sollten abgenutzte Küchenutensilien wie angeschlagenes Emailgeschirr oder zerkratzte Teflonpfannen schon aus hygienischen Gründen entsorgt werden", sagt Johanna Foisner, Leiterin der Fachgruppe "Food Contact Materials" der AGES. "Raue Oberflächen lassen sich nicht mehr entsprechend reinigen, was ein erhöhtes mikrobielles Risiko nach sich zieht. Bei ausgeschlagenem Email besteht die Gefahr, dass das Material weitersplittert und zu Verletzungen im Mund-Rachen-Raum beziehungsweise des Verdauungstraktes führt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sich Inhaltsstoffe aus desolaten Materialoberflächen lösen und so in die Nahrung gelangen." Darüber gebe es nur sehr wenige Langzeitstudien, somit sei das tatsächliche Gesundheitsrisiko bei einer lebenslangen Exposition "eher unbekannt".

Melamin: Hygienisch, bruchsicher - und giftig

Anders verhält es sich mit Schüsseln, Kochlöffeln und Bratenwendern aus stabilem Melaminharz. Es gibt sie in allen Farben. Neu gekauft glänzt ihre Oberfläche, später wird diese matt. Hygienisch und bruchsicher kommt Melamin neben Küchenutensilien auch oft bei Camping- und Kindergeschirr zum Einsatz.

Nach Erkenntnissen aus der Kontrolltätigkeit der AGES, Veröffentlichungen des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung sowie Testergebnissen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) kann es beim Erhitzen vom Melamin-Produkten bei Temperaturen ab etwa 100 °C, vor allem beim Verkochen saurer Lebensmittel, zur Freisetzung bedenklich hoher Mengen der Ausgangsstoffe Melamin und Formaldehyd kommen. Auch Küchenutensilien, die seit geraumer Zeit verwendet werden, können diese Substanzen noch abgeben.

Über die Nahrung aufgenommen führt Formaldehyd zu Magenschleimhaut-Reizungen, über die Atemluft zu Reizungen der Nasenschleimhaut. In hohen Konzentrationen kann es Krebs verursachen.

Mit freiem Auge nicht erkennbar

Ob man Melaminprodukte in der eigenen Küche hat, lässt sich nur schwer eruieren: Weder ist es mit freiem Auge erkennbar, noch besteht Kennzeichnungspflicht. Sogar ein Etikett mit Verwendungseinschränkungen, wie "max. 15 Min. bei 175 °C, max. 10 Min. bei 100 °C, nicht in heißer Pfanne/ Topf liegen lassen", steht im Widerspruch zur tatsächlichen Verwendung. Denn vom Einkochen von Marmelade bis zum Rühren der Zwiebel-, Essig-, Paprikamischung fürs Gulasch muss ein Kochlöffel in der Küchenpraxis sowohl Temperatur- als auch Säureeinwirkung über einen längeren Zeitraum standhalten.

Deshalb empfiehlt die AGES, zum Braten und Kochen vorsorglich Produkte aus anderen Werkstoffen wie Holz oder Metall, Silikon oder Keramik zu verwenden. Darüber hinaus gilt die Empfehlung, Melaminprodukte nicht im Mikrowellenherd einzusetzen.

Aluminium in der Küche

Die Suppe wird im Blechtopf gekocht, der Ofenkartoffel in Alufolie gewickelt. "Sobald die Folie erhitzt wird, gelangen die hochgiftigen Stoffe und Leichtmetalle aus der Folie in die Nahrungsmittel", ist auf einer ernährungsspezifischen Webseite nachzulesen. Die Diskussion rund um den Risikostoff Aluminium hat nicht zuletzt durch die Buch-Neuerscheinung samt Film-Dokumentation "Dirty little secret - Die Akte Aluminium" von Bernd Ehgartner Hochkonjunktur (derStandard.at berichtete).

Ein Kilogramm Lebensmittel pro Tag, die entweder in metallischer Verpackung gehüllt, oder bei der Zubereitung mit metallischen Materialien in Kontakt gekommen sind, nimmt der Durchschnittsverbraucher laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu sich. Darüber hinaus beinhalten Lebensmittel oft Zusatzstoffe mit metallhaltigen Komponenten.

Demenz und Alu

Die Aufnahme von Aluminium soll die Entstehung von Demenz und Krebserkrankungen begünstigen. Grund genug, Blechgeschirr und Alufolie aus der Küche zu verbannen? "Aluminium kann mit sauren, salzhaltigen und basischen Lebensmitteln reagieren", sagt Johanna Foisner von der AGES. "Deshalb kommen bei Getränke- und Konservendosen oder Tuben Beschichtungen zum Einsatz."

Alte unbeschichtete Kochgeschirre aus reinem Aluminium sollten laut AGES nur für kurze Zeit und nicht als Standardkochgeschirr verwendet werden, da bereits bei leicht saurem Leitungswasser unter einem pH-Wert von sieben, mit einer verstärkten Aluminium-Abgabe zu rechnen sei. Stark saure oder salzhaltige Lebensmittel sollten gar nicht in unbeschichtetem Aluminiumgeschirr gekocht und auch nicht mit Aluminiumfolie abgedeckt werden. Ebenso ist bei der Herstellung von Laugengebäck die Verwendung von Aluminiumblechen wegen der Gefahr des Aluminiumüberganges abzulehnen.

Schutz vor Kontaminanten

Ob die erhöhte Aluminiumkonzentration im Blut von Alzheimerpatienten eine Ursache für diese Erkrankung oder eine Folge der Erkrankung ist, gilt bislang als ungeklärt. Die EFSA, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und die französische Lebensmittelsicherheitsagentur sehen keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Alzheimer und der Aluminiumaufnahme aus Lebensmitteln oder Trinkwasser.

Angesichts der erst kürzlich aufgedeckten Tatsache durch die deutsche Stiftung Warentest, dass in recycelten Karton verpackte Lebensmittel Erdölrückstände beinhalten, gewinnt man bei der AGES dem Aluminium sogar positive Aspekte ab: "Aluminiumschichten zählen gemeinsam mit keramischen Werkstoffen zu den wirkungsvollsten Barrieren gegen migrierende Chemikalien in Mehrschichtverpackungsmaterialien. Aluminiumbeschichtete Innenverpackungen bieten tatsächlich Schutz gegen Kontaminanten aus zum Beispiel rezyklierten Karton-Sekundärverpackungen." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 9.1.2013)