Wien - Im Zuge eines vermutlich rassistischen Streits hat ein Mann eine Schwarzafrikanerin in der Wiener U-Bahn-Station Taborstraße auf die Geleise gestoßen. Die 36-jährige Frau brach sich dabei das Fersenbein und konnte sich aus eigener Kraft nicht wieder auf den Bahnsteig retten. "Nur 30, 40 Sekunden später wäre ein Zug in die Station eingefahren", schilderte Polizeisprecher Thomas Keiblinger am Montag die dramatische Situation, die sich bereits vergangenen Samstag abgespielt hat. Im letzten Moment betätigte ein Zeuge den Notstopp, die U2-Garnitur wurde gestoppt. Der Verdächtige Josef S. (51) befindet sich wegen Mordversuchs in U-Haft.

Überwachungsvideo

Der Beschuldigte bestreitet, dass er die Frau absichtlich hinuntergestoßen habe. Das Überwachungsvideo dürfte ihn aber schwer belasten. Angeblich soll er die Frau, die mit einer Freundin unterwegs war, vorher angestänkert haben, weil sie mit ihrem Handy telefoniert hatte, und sie rassistisch beschimpft haben. Auch der Mann hatte eine Begleiterin, die im Gegensatz zu ihm unmittelbar nach dem Vorfall nicht flüchten konnte, weil sie von der Freundin des Opfers festgehalten wurde, bis die Polizei kam. Der mutmaßlichen Täter war danach schnell ausgeforscht.

Die Antirassismusorganisation Zara erhielt im Jahr 2011 Hinweise auf 711 rassistische Vorfälle, ein Viertel davon im öffentlichen Raum. Die Palette reicht von Beschimpfungen und Diskriminierung bis hin zu tätlichen Angriffen. In vielen Fällen richtete sich die Aggression gegen Kopftuch tragende Frauen. Aber auch Beschimpfungen wie "Scheißpiefke" werden im Rassismusreport angeführt.

Der Bereich, in dem rassistische Ausfälle fast sprunghaft ansteigen, sind Vorfälle im Internet, also auf Webseiten, in Online-Foren, sozialen Netzwerken und Blogs. Rassistische Postings im Netz machen mittlerweile rund ein Fünftel der bei Zara gemeldeten Rassismusvorfälle aus.

Sicherheit in Öffis

Der aktuelle Angriff auf die Frau aus Afrika stellt auch erneut die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien infrage. Nach einer Vergewaltigung in der U6 und mehreren Fällen, in denen ein Verdächtiger seine Opfer in der U-Bahn ausgesucht haben soll (in beiden Fällen wurden die mutmaßlichen Täter geschnappt), haben die Wiener Linien angekündigt, die Videoüberwachung auszubauen. Kameras in den Zügen selbst dienen aber nicht der Online-Überwachung sondern dazu, aufgezeichnete Vergehen und Verbrechen zu klären. Kameras auf Bahnsteigen hingegen können Aufnahmen zu einer Stationsaufsicht übertragen. (APA, simo, DER STANDARD, 8.1.2013)