Foto: Rene Liebert

Wien - "Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks", lesen wir bei Karl Marx. Nur noch gestreckter Stoff, muss man leider sagen, immerhin ist Gott schon lange tot.

Ob dem wirklich so ist und wenn ja, nach welcher Ersatzdroge der Mensch dann greift, und ob er sich am Ende zu den Segnungen des Kapitalismus flüchtet - diese und andere Fragen stellen sich Norton Commander Productions (alias Harriet Maria Meining und Peter Meining) im zweiten Teil ihres auf drei Jahre angelegten Projekts X Gebote: Ein Orchesterwerk. Mittels Collage oder Schnitttechnik verfremdet die Gruppe bekannte Stoffe, untersucht und seziert die jeweiligen Figuren aufs Gründlichste.

Nach Woyzeck oder dem Film Frankenstein nimmt sie sich nun den Dekalog vor. Unter der Regie von Harriet Maria und Peter Meining widmen sich Gregor Biermann, Mark Boombastik, Jörn J. Burmester, Angie Reed und Ole Wulfers unter anderem dem ersten ("Ich bin der Herr, dein Gott") oder dem sechsten Gebot ("Du sollst nicht ehebrechen"). In Filmeinspielungen ist unter anderen auch die großartige Irm Hermann dabei.

Teil zwei von X Gebote startet als philosophische Lecture, die dräuendste Frage ist natürlich jene nach der Existenz oder Nichtexistenz Gottes. Beteiligt sind unter anderem Psychologieprofessorin Maria Magdalena oder "unser Nachwuchs" Judas, der "noch aufs katholische Gymnasium geht". Aus der Lecture und den Fragen nach Moral, Sinn und Glaube wird bald eine psychologische Selbstbefragung. In einem Archiv aus 50 Plattenspielern und Hunderten von Schallplatten findet sich dabei für jede These die richtige Musikbegleitung. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 8.1.2013)