Bild nicht mehr verfügbar.

David McAllister (li.) und Angela Merkel beim CDU-Parteitag im Dezember 2012 in Hannover.

Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Bild nicht mehr verfügbar.

McAllister muss auf eine zerbröselte FDP hoffen.

Foto: REUTERS/Nigel Treblin/Pool

Gerade einmal anderthalb Stunden benötigt der Schnellzug für die 258 schnurgeraden Kilometer von Hannover nach Berlin. Wenn es nach David McAllister geht, könnte sich der Zug in die deutsche Hauptstadt ruhig ein wenig mehr Zeit lassen.

Die vornehmste Aufgabe des niedersächsischen Ministerpräsidenten ist es dieser Tage nämlich, jegliche Gedanken an einen Umzug von der kreuzbiederen Landeshauptstadt an der Leine in die schrille Metropole an der Spree hintanzustellen. Er wolle den Menschen zwischen Harz und Nordsee, von denen er sich am 20. Jänner die Bestätigung im Amt erhofft, fünf Jahre lang dienen, betont er wieder und wieder. Und wird dabei doch den Stallgeruch des telegenen Adlatus von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nicht los.

Letzte Nachwuchshoffnung

Lange galt der 41-jährige studierte Jurist als Kronprinz der Christdemokraten. Als ehrgeiziger und – nach den Ausfällen von Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Ex-Bundespräsident Christian Wulff – zugleich letzter Nachwuchsstar, der bereitsteht, sollte Merkel dereinst das Zepter weiterreichen.

Doch erstens erweckt die Kanzlerin dieser Tage kaum den Eindruck von Amtsmüdigkeit. Und zweitens steht ihrem Protegé nun die wichtigste Wahl seiner Karriere ins Haus. Von deren Ausgang hängt ab, ob "Mac", wie er sich gerne rufen lässt, noch etwas wird in einer zunehmend hierarchisch strukturierten Partei, die bösen Zungen zufolge zum Kanzlerinnenwahlverein verkommen ist.

Zwar liegt seine Partei praktisch uneinholbar auf Platz eins; die schwache FDP droht McAllisters Koalition aber das Genick zu brechen. Doch obwohl die Opposition Umfragen zufolge beständig voranliegt, betrachten die Auguren das junge CDU-Urgestein David McAllister aber noch lange nicht als geschlagen.

Mit 17 wurde der Halbschotte aus "konservativem Elternhaus" CDU-Mitglied. Und 39 Jahre war er alt, als er 2010 zum Nachfolger Wulffs als Ministerpräsident des Acht-Millionen-Einwohner-Landes Niedersachsen berufen wurde. Nur Helmut Kohl, 16 Jahre lang Bundeskanzler, kam noch jünger zu Regierungsmeriten.

Zwei Pässe entgegen der Parteilinie

Der Sohn einer deutschen Musiklehrerin und eines schottischen Besatzungsbeamten wuchs im Westberlin des Kalten Kriegs auf, besuchte als Kind eine britische Schule und bezog sein Fußballwissen von James Alexander Gordon, dem Starreporter der Siebzigerjahre-BBC. Bis heute hält McAllister, dessen Partei mit Verve gegen Doppelstaatsbürgerschaften eintritt, neben dem deutschen auch einen britischen Reisepass in Händen.

Das Spiel mit der Britishness ist freilich wohlkalkuliert. Die deutsche Politik könne eine Prise britischen Humors gut gebrauchen, konstatierte McAllister kürzlich. Angelsächsische Zeitungen berichten süffisant über seine Vorliebe für Irn Bru, eine picksüße Limonade aus Schottland, die südlich der Grenze über eher geringe Anhängerschaft verfügt. Der Londoner "Guardian" macht in ihm "ein kleines Stück Schottland im Herzen der deutschen Politik" fest. Dass McAllister neben den Fußballvereinen Glasgow Rangers und Hannover 96 – gänzlich unbritisch - auch auf die EU große Stücke hält, lässt so manchen britischen Forenuser weit weniger amused zurück.

Nach Bundeswehr und Jusstudium machte der smarte Halbschotte schnell Karriere in der Jungen Union. Mit seiner Frau Dunja, die er einst in Schottland im Kilt ehelichte, lebt McAllister heute im Städtchen Bad Bederkesa bei Cuxhaven, wo er zwei Jahre lang Bürgermeister war.

"Mac-Express"

1998 wurde sein Zug zur Macht auch im 200 Kilometer weiter südlich gelegenen Hannover registriert. Landtagsabgeordneter, CDU-Generalsekretär und Fraktionschef hießen die Stationen, an denen der "Mac-Express" in Niedersachsen haltmachte, ehe er 2010 Wulff als Ministerpräsidenten beerbte. Seither sitzt er als Regierungschef auch im Aufsichtsrat des Wolfsburger Autobauers Volkswagen.

Bundespolitische Avancen werden dem Vater eines Sohnes und einer Tochter allen Dementis zum Trotz ohnehin seit jeher nachgesagt. Gut möglich, dass sich die Karriere des David McAllister auch von einer Niederlage gegen Rot-Grün in Hannover so schnell nicht bremsen lässt.

"Was soll daran so besonders sein, dass ein Schotte im Ausland regiert?", fragt sich vorsorglich ein Internetuser auf den Seiten der Londoner Zeitung Telegraph in einem Posting. "In England tun sie das mit Blair und Brown doch schon seit Jahren." (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 7.1.2013)