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Die Macht aus München 1974, die die Meisterschaft und den Pokal der Landesmeister gewann. Stehend (v.l): Franz Beckenbauer, Viggo Jensen, Rainer Zobel, Georg Schwarzenbeck, Franz Roth, Gerd Müller, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Trainer Udo Lattek,; Kniend (v.l.): Jupp Kapellmann, Bernd Dürnberger, Sepp Maier, Johnny Hansen.

Foto: APA/dpa/sportarchiv berlin

Fast alles über 50 Jahre Bundesliga von Christoph Biermann und Philipp Köster, Verlag Kiepenheuer & Witsch - 224 Seiten, 13 Euro. (Erhältich ab 7. Jänner 2013)

Foto: Kiepenheuer & Witsch

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Andreas Brehme (l.) wollte nach dem Wiederaufstieg mit 37 Jahren eigentlich seine Karriere beenden, ließ sich aber von Otto Rehagel dazu überreden, mit dem FC Kaiserslautern deutscher Meister zu werden.

Foto: Reuters/Müller

Werder Bremen 1996/97: Wenn Sie nicht zumindest acht bis zehn Spieler auf diesem Foto erkennen, dann haben sie die Bundesliga in den 90er Jahren nicht aufmerksam verfolgt.

Foto: Vetter/derstandard.at

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"Der weiße Brasilianer": Viele Geschichten des Ansgar Brinkmann sind längst Legende: der Spruch auf dem Anrufbeantworter, dem zufolge er bis fünf Uhr früh in seiner Stammkneippe zu erreichen sei oder der Infight mit einem Bielefelder Hooligan vor einem Fast-Food-Restaurant: "Ich bin Ansgar Brinkmann, habe 2,3 Millionen auf dem Konto. Und wer bist du?" Eskapaden verhinderten eine ruhmreichere Karriere.

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Wien - Der Fußball als Abführmittel? "Musst du mal scheißen und hast kein Papier, nimmst du ein Trikot von Schalke 04!" Auf Dortmunds Fangesang hat Schalkes Kreativabteilung auf der Tribüne natürlich eine Antwort: "Sitzt du auf dem Klo und musst mal kacken, denk an Dortmund, dann wird's schon klappen."

Keine Frage, die deutsche Bundesliga ist Kult, auch hierzulande. Und an ihrem Kultstatus hat sie mittlerweile 50 Jahre sehr gut gearbeitet. Ein feines Jubiläum, dem die Fachmänner des Fußballmagazins "11 Freunde", Christoph Biermann und Chefredakteur Philipp Köster, mit ihrem Buch "Fast alles über 50 Jahre Bundesliga" huldigen. Wo soll man aber am besten beginnen, auf einer Reise durch ein riesiges Reich der Anekdoten? So viele Geschichten und Gschichterln. 

Charaktere

Vielleicht bei Ailton. 106 Tore in 219 Spielen machten den Kugelblitz zu einem der effektivsten Stürmer in der Geschichte der Bundesliga. Kein Wunder, dass er eine genaue Vorstellung von seinen Fähigkeiten hatte. Der Brasilianer im Zitat: "Ailton auswechseln - immer Fehler!" - "Ailton ist wie Medizin für Kranke!" - "Ein Schuss. Ein Tor. Das ist Ailton!"

Die Bundesliga hatte immer echte Typen zu bieten, auch welche mit einer Berufsausbildung. Sepp Maier, der 442 Spiele in Folge im Tor des FC Bayern stand, war Maschinenschlosser. Lothar Matthäus ist Raumausstatter und Stefan Effenberg Dienstleistungsfachkraft bei der Bundespost. Einen bald mit Promis prall gefüllten Nachtklub machte aber nur einer auf: Günther Netzer. Im Jahr 1971 eröffnete "Lovers Lane" in Mönchengladbach, Stars wie Udo Jürgens und Elke Sommer gaben sich die Klinke in die Hand. Playboy Netzer reichte das im Ligavergleich bescheidene Gehalt der Borussia ebenso wenig aus, wie die Einnahmen der Stadionzeitung "Fohlen-Echo", dessen Herausgabe er sich vertraglich hatte zusichern lassen. Darum der Nebenjob als Barbesitzer.

Gespickt ist das Jubiläums-Werk freilich auch mit Rekorden (auch mit denen, die keiner halten will; siehe Gladbach und die einzige Hinrunde in der Geschichte ohne Auswärtstor 96/97), Statistiken werden aber nicht übertrieben und sind im Vergleich zur handelsüblichen Fußball-Literatur leicht fassbar dargestellt. So ist der Durchmarsch des 1. FC Kaiserslautern von der zweiten Liga direkt zum Meistertitel in der Bundesliga ebenso unerreicht und unvergessen wie die Abrechnung von Toni Schumacher mit dem System Fußball. Seine Schilderungen in seiner Autobiografie "Anpfiff" von der WM-Vorbereitung 1982 sind ein Klassiker: "Eike Immel pokerte schon wie ein Süchtiger. Andere bumsten bis zum Morgengrauen und kamen wie nasse Lappen zum Training gekrochen." 

Bildersturm

An Skandalen ist die Bundesliga genauso reich, wie an Spitznamen (Thorsten "Lutscher" Frings, Michael "Susi" Zorc, Ratinho: das "Mäuschen") und an großen Vereinen, die in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. In der zweiten Dekade der Liga (1973-1983) kam etwa mit Bayer Uerdingen die erste Werkself in die höchste Spielklasse und war Role Model für Leverkusen und Wolfsburg. Bis zum Ausstieg von Bayer 1994.

Dicht bebildert ist das Buch mit exquisiten Aufnahmen von buschigen Schnauzern, üppigen Vollbärten und steilen Boliden (Toni Schumachers weißer Kadett Irmscher!). Auch ins Interieur der Spieler werden Einblicke gewährt (zum Beispiel Sepp Maiers Atombunker oder Gerd Müllers Wandschrank). Nicht nur die Stars lebten schon damals in Saus und Braus. 

Cash, Cash, Cash

Dabei war die Bundesliga lange Zeit nicht so viel wert wie heute, allein aus der TV-Vermarktung kassieren die Vereine aus erster und zweiter Liga heuer knapp 450 Mio. Euro. In der Fernsehtabelle ist jede bessere Platzierung in der Bundesliga zirka 760.000 Euro wert. Die Cash-Maschine läuft, der Druck steigt gewaltig und ließ das Trainer-, Manager- und Spielerkarussell in der jüngsten Vergangenheit eine ungeheure Geschwindigkeit aufnehmen. Und das Ganze wird sich noch steigern in der Zukunft. Während andere große Fußball-Ligen in Europa unter der wirtschaftlichen Talfahrt ihrer Heimatländer leiden, wird Deutschlands stabiler Markt den Spitzensport weiter boomen lassen. Auch weil es die Liga-Verantwortlichen verstanden haben, die Stadien vor sämtlichen Großereignissen (WM 1974, EM 1988, WM 2006) neu zu bauen oder entsprechend zu modernisieren.

Tempi passati! Dieses Buch hebt jedenfalls vergessene Schätze und ist alles andere als eine fade Chronik. Oder wie es die Autoren formulieren: "All das muss man nicht, möchte man aber schon sehr gerne wissen." Und die Kugel rollt weiter. Oder wie es Christoph Daum weiland formulierte: "Andere erziehen ihre Kinder zweisprachig, ich beidfüßig." (Florian Vetter, derStandard.at, 7.1.2013)