"Das Ende naht", verkündet das Massenblatt. 29 Jahre Krieg und fast 40.000 Tote gehören der Vergangenheit an, hofft Posta, das auflagenstärkste Boulevardblatt der Türkei. Knapp zwei Wochen Gespräche mit Abdullah Öcalan, dem inhaftierten Gründer der PKK, haben die Stimmung in der Türkei gewandelt. Die Vorstellung, der Staat und die kurdische Untergrundarmee könnten Frieden schließen, begeistert Medien wie Politiker.

Alle glauben dieses Mal an die Chance: Öcalan und die Regierung, die wichtigste Oppositionspartei, die Kurden im Parlament, der Geheimdienstchef. Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft gab Hakan Fidan, der MIT-Chef, am vergangenen Wochen ende als Ziel für Verhandlungen mit der PKK-Guerilla vor.

Regierungschef Tayyip Erdogan hatte Ende Dezember bekanntgegeben, dass neue Gespräche zwischen Öcalan und Vertretern des MIT begonnen hätten. Vergangene Woche erhielten dann zwei führende kurdische Politiker - Ahmet Türk und Ayla Akat Ata - die Erlaubnis, zur Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer zu fahren, wo Öcalan seit 1999 eine lebenslange Haftstrafe absitzt. Die Wende folgte auf einen Hungerstreik hunderter kurdischer Häftlinge und Abgeordneter, den Öcalan mit einem Machtwort beendete. Die Regierung war zuvor Forderungen der Hungerstreikenden entgegengekommen und sandte einen Gesetzesentwurf ins Parlament, der die Möglichkeit zur Verteidigung in der kurdischen Muttersprache vor Gericht vorsieht.

Wunsch nach Modellrolle

Die Episode mit dem Hungerstreik beendete auch Spekulationen, der 63-jährige Öcalan habe keinen wirklichen Einfluss mehr auf die PKK und die kurdische Zivilgesellschaft. Die Regierung von Premier Tayyip Erdogan sah damit wieder eine Gelegenheit für Gespräche kommen. Außenpolitische Experten und Kommentatoren hatten in den vergangenen Monaten darauf hingewiesen, wie sehr die ungelöste Frage mit der kurdischen Minderheit den Anspruch der Türkei auf eine Modellrolle in der islamischen Welt untergräbt.

Nach dem Vorbild von Nordirland und der IRA strebt die Türkei nun eine Verhandlungs lösung mit der PKK an. Erdogan behauptete am Sonntag gleichwohl, dass es weder eine Generalamnestie für PKK-Kämpfer noch eine Überstellung in einen Hausarrest für Öcalan geben werde. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, 7.1.2013)