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Präsident Klaus bei einer Kranzniederlegung im Dezember des Vorjahres.

Foto: APA/EPA/Kovacs

In ganz Tschechien öffnen sich dieser Tage für etwa 7000 Häftlinge die Gefängnistore. Die Arbeitsämter des Landes bereiten sich auf erhöhten Personalbedarf vor, die Polizei verstärkt in einigen Regionen ihre Streifen. Der Grund: Staatspräsident Václav Klaus hat in seiner Neujahrsansprache eine umfangreiche Amnestie ausgerufen, die für mehr als ein Drittel aller Gefängnisinsassen Tschechiens den Weg in die Freiheit öffnet. Dass davon auch Wirtschaftsverbrechen aus Klaus' Regierungszeit in den 1990er-Jahren betroffen sind, sorgt für heftige Kritik aus der Opposition.

Die Amnestie gilt für all jene, die zu einer Haftstrafe von nicht mehr als einem Jahr verurteilt wurden, oder ältere Menschen über 75, deren Strafe nicht mehr als zehn Jahre beträgt. In einem Gespräch für die Tageszeitung Mladá fronta Dnes bezeichnete Klaus seinen Schritt als " Geste der Versöhnung und Vergebung".

Straferlass "skandalös"

Ein Punkt der Amnestie sorgt jedoch für massive Kritik: Es werden auch alle laufenden Strafverfahren eingestellt, die bereits länger als acht Jahre anhängig sind. Der Parteichef der oppositionellen Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka, bezeichnet diese Entscheidung als skandalös. "Es sieht so aus, als wäre die Amnestie beschlossen worden, um einen dicken Strich unter die Betrugsfälle zu ziehen, die ihren Ursprung in der wilden Privatisierung der Neunzigerjahre haben", sagte Sobotka. Einer der Hauptakteure des ökonomischen Umbaus nach dem Fall des kommunistischen Regimes ist gerade Václav Klaus, der in den Neunzigern zunächst Finanzminister und dann Premierminister war.

Den Vorwurf, dass er nun jene schütze, gegen die im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität während seiner eigenen Regierungszeit ermittelt wird, lässt Klaus nicht gelten. Er beruft sich auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der sechs Jahre als angemessene Dauer für ein Gerichtsverfahren ansehe: "Das erschien mir kurz, deshalb habe ich im Text der Amnestie die Zahl sechs durch die Zahl acht ersetzt", sagte der Präsident. Klaus' Amtszeit läuft im März ab, sein Nachfolger wird noch im Jänner gewählt.

Misstrauensantrag gegen Regierung

Die Sozialdemokraten haben angekündigt, einen Misstrauensantrag gegen die Regierung einzubringen, weil der konservative Premier Petr Necas die Amnestie mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Kritik gibt es auch unter den Koalitionspartnern von Necas' Bürgerdemokraten (ODS). Außenminister Karl Schwarzenberg (Top09) sagte, dass eine Amnestie nicht " die größten Skandale der Republik" betreffen sollte, sondern nur leichtere Straftaten. Auch die kleinste Koalitionspartei Lidem hält die Amnestie für zu umfangreich.

Dennoch kamen aus den Regierungsparteien vorerst keine Signale für eine Unterstützung des geplanten Misstrauensantrags. Selbst die Abgeordneten von Lidem, die noch vor Weihnachten mit Koalitionsbruch gedroht hatten, weil Parteichefin Karolina Peake nach nur acht Tagen im Amt als Verteidigungsministerin entlassen worden war, wollen weiter über den Fortbestand der Regierung verhandeln. Die Vertrauensabstimmung wird voraussichtlich in der zweiten Jännerhälfte über die Bühne gehen.  (Gerald Schuber/DER STANDARD Printausgabe, 5.1.2013)