Wien - Der Kühlschrank funktioniert nicht, das Bein des teuren Designertisches ist abgebrochen, und die Vase, die als Geschenk für die Lieblingstante gedacht war, in tausend Scherben. Und das alles an einem Samstagabend, wo kein Geschäft mehr offen hat, und die Vase mit der speziellen Gravur ist noch dazu ein Einzelstück.
Keine Zukunftsmusik
Kein Problem, wenn man einen 3-D-Drucker zu Hause hat: Software laden, Pulver nachfüllen, Knopf drücken und warten, bis den Ersatzteil aus dem Drucker kommt. Wir schreiben das Jahr 2013 - und alle drei beispielhaft genannten Fälle sind keine Zukunftsmusik. Eines Tages fehlte an einem Geschirrspüler in Bochum ein Ersatzteil, eines dieser kleinen Rädchen, auf denen die Geschirrkörbe vor- und zurückgleiten. Statt das Plastikteil nachzukaufen, produzierten die Mitglieder der Bochumer Hackergemeinschaft "Labor" es einfach selbst - mit einem 3-D-Drucker. " Makerbot" heißt die Maschine, die das am Schirm konzipierte Teil in Kunststoff ausspuckte. Statt einer Bestellung beim Fachhändler oder der Suche im Internet hatte der "Herstell-Roboter" das Rädchen nach nur 40 Minuten gedruckt.
Dass Drucker Gegenstände ausspucken können, ist so neu nicht. Bereits in den 1980er-Jahren gab es erste Versuche von Auto- und Flugzeugherstellern, passgenaue Bauteile herzustellen. Nun gehen auch immer mehr Designer und Architekten zum 3-D-Druck über, wenn sie fertige Entwürfe plastisch vor sich haben wollen. Doch dass Konsumenten per Mausklick zu Hause ein neues Abflussrohr für das Waschbecken oder bunte Bauklötze für die Kinder drucken, war bisher kaum denkbar. Dafür kosteten die Maschinen zu viel.
"Das war bei den ersten PCs auch so: sehr groß, sehr teuer und vergleichsweise leistungsschwach. Das hat sich innerhalb von 20 Jahren total geändert", weist Andreas Reiter im Gespräch mit dem Standard auf mögliche Parallelen beim 3-D-Druck hin. Reiter ist Zukunftsforscher. Das Aufspüren neuer Trends gehört zu seiner Berufsbeschreibung. " 3-D-Printing trägt den Keim in sich, vieles zu revolutionieren. Globalisierung und Internet haben Plattformen wie Amazon oder Zalando, aber auch Paketdienste zu Gewinnern gemacht. Nun könnten sie die großen Verlierer werden", sagt Reiter.
Maschine kostet knapp 85.000 Euro
Bei der Deutschen Post etwa ist man sich der Konsequenzen bewusst, die der Vormarsch von 3-D-Printing mit sich bringen würde - und sucht nach Möglichkeiten, vermutlich wegbrechendes Geschäft durch neue Aktivitäten zu kompensieren. In einem Strategiepapier trägt man sich unter anderem mit dem Gedanken, selbst zu einem Betreiber von 3-D-Copyshops zu werden.
In Wien gibt es bereits einen 3-D-Copyshop. Nicht von der Deutschen Post und auch nicht von der Österreichischen betrieben, sondern von einem alteingesessenen Hasen, der seit 20 Jahren mit klassischen Kopieraufträgen sein Geld verdient. Vor gut einem Jahr hat Helmut Eder neben seinem Stammgeschäft in der Theobaldgasse einen zweiten Laden in der Burggasse im 7. Bezirk aufgesperrt. Dort druckt er auf einer knapp 85.000 Euro teuren Maschine Modelle von Häusern, Kirchen, Schulen, aber auch Prototypen von Geschirr, Schmuckstücken oder was auch immer aus.
"Der Anwendungsbereich ist unendlich", sagt Eder. Einschränkend sei lediglich die Größe des Bauraums in seinem 3-D-Drucker - 25,4 × 38,1 × 20,3 Zentimeter. Eder: "Die meisten Modelle, die Architekten bauen lassen, sind aber kleiner."
Schicht für Schicht
Der zweite limitierende Faktor sei das eingesetzte Pulver. Das von ihm verwendete, Gipspulver nicht unähnliche Rohmaterial sei für den Druck von Gebrauchsgegenständen nicht geeignet. Dafür würden andere Materialeigenschaften benötigt. Sobald die Daten elektronisch im Copyshop eingelangt und für den Drucker entsprechend aufbereitet sind, baut sich der Gegenstand Schicht für Schicht auf.
"Dort, wo Daten sind, wird per Tintenstrahler Bindemittel aufgetragen; wo keine Daten sind, gibt es trotzdem Pulver, das dient als Stützmaterial", erläutert Eder den Entstehungsprozess in 3-D. " Anschließend wird der Gegenstand vorsichtig aus der Baukammer gehoben, in einer Nebenkammer mit Blas- und Saugluft gereinigt und in eine Art dünnflüssigen Superkleber getaucht. Nach knapp 2,5 Stunden Trocknungszeit ist der Gegenstand stabil. Für den Ausdruck eines Häuschens in den Maßen 10 × 10 × 10 Zentimeter sind etwa 150 Euro zu kalkulieren. Das sei um etwa ein Drittel billiger als per Hand gefertigte Modelle. Und wesentlich schneller.
Adern und funktionierendes Herzgewebe
Selbst mit Körperzellen wird inzwischen drucktechnisch experimentiert. Naturwissenschafter arbeiten daran, menschliche Zellen in 3-D-Druckern zusammenzusetzen. Biologen ist es vor kurzem gelungen, Adern und funktionierendes Herzgewebe zu drucken. "Irgendwann könnte die Produktion kompletter Organe möglich sein", schrieb Der Spiegel in seiner letzten Ausgabe 2012.
Helmut Eder träumt in seinem Copyshop im 7. Bezirk bereits von Hüftgelenken und Sachen für die Operationsvorbereitung, die er gerne ausdrucken würde - den Schädel eines Patienten etwa, der an einem Gehirntumor erkrankt ist und operiert werden soll.
Für Andreas Reiter, den Zukunftsforscher, steckt der 3-D-Druck
entwicklungsgeschichtlich kurz vor der Pubertät: "In zehn bis 15 Jahren kann es
sein, dass wir Geräte in der Wohnung stehen haben, mit denen wir persönliche
Dinge ausdrucken können." Weniger Emissionen, aber auch ein Minderverbrauch von
Ressourcen träfen den Nerv der Zeit. (Günther Strobl, DER STANDARD, 4.1.2013)