"In Österreich ist das die Kombination aus Pille und Rauchen ein "Naja-halb-so-schlimm-Thema"."

Foto: Brigitte Hoffmann

Der westliche Lebensstil gilt als wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Brustkrebs. Die Chirurgin und Brustkrebsspezialistin Brigitte Hoffmann gibt Tipps zur Prävention. 

derStandard.at: Statistiken zeigen: In Europa und den USA erkranken Frauen weitaus häufiger an Brustkrebs als in Südostasien und Westafrika. Was machen Japanerinnen anders?

Hoffmann: Tatsächlich sind die regionalen Unterschiede bezüglich der Inzidenzrate von Brustkrebs gravierend. In Ostasien treten unter 100.000 Frauen 21 Brustkrebsfälle auf, während die Rate in Europa oder den USA bei 100 liegt. In Österreich zählt das Mammakarzinom zu den häufigsten Krebserkrankungen bei der Frau. Jährlich erkranken etwa 5000 Frauen an Brustkrebs. Ein Drittel davon stirbt daran.

Japanerinnen ernähren sich gesunder, nehmen weniger Genussmittel zu sich und sind eher normalgewichtig als der westliche Durchschnitt.

derStandard.at: Es hat also mit dem Lebensstil zu tun?

Hoffmann: Ja. Der Lebensstil macht Frauen in Europa zu Hochrisikopatientinnen für Brustkrebs. Die industrielle Entwicklung im Westen hat zu drastischen Änderungen der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten geführt. Leider ist die menschliche Genetik zu träge, um mit den rasanten Veränderungen menschlicher Vorlieben und Gewohnheiten Schritt zu halten. Faktoren wie Alkohol, Nikotin, körperliche Trägheit, Hormoneinnahme stehen im Widerspruch zur genetischen Ausstattung.

derStandard.at: Klingt eher nach Risikofaktoren für das Herz-Kreislaufsystem?

Hoffmann: Krebs ist eine sehr komplexe Erkrankung, ein multifaktorielles Geschehen, mit mehreren Ursachen. Heute wird das genetische Risiko an Brustkrebs zu erkranken, mit unter zehn Prozent Wahrscheinlichkeit bewertet. Hormone hingegen sind große Risikofaktoren. Sowohl körpereigne Hormone wie das Östrogen als auch fremde, die zum Beispiel durch die Pille oder die Nahrung aufgenommen werden, werden in gesteigerten Mengen aufgenommen. Der menschliche Stoffwechsel ist nicht in der Lage, diese zu verarbeiten.

derStandard.at: Inwiefern schadet diese Hormonzunahme dem Organismus?

Hoffmann: Frauen sind heute einer höheren Östrogenbelastung ausgesetzt, weil sie im Laufe ihres Lebens mehrere Zyklen durchlaufen. Sie menstruieren um Jahre früher als ihre Mütter und Großmütter, kommen später in den Wechsel, bekommen weniger Kinder, stillen kürzer und führen durch ihren Lebensstil dem Körper weitere chemische Östrogene zu.

Angefangen bei der Pille, über Hormonersatztherapien, bis hin zu Hormonen, die über die Nahrung, Alkohol, Kosmetika oder Kleidung aufgenommen werden. Das alles hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Stoffwechsel und stört Abläufe, die über Millionen von Jahren selektiert wurden.

derStandard.at: Der direkte Zusammenhang besteht also vor allem zwischen Brustkrebs und einem hohen Östrogenspiegel?

Hoffmann: Die Beweislage ist schwierig - bei der European Breast Cancer Conference wurde heftig darüber diskutiert, inwieweit sich der Lebenswandel der Frauen in westlichen Ländern auswirkt. Es gibt aber eindeutige Belege dafür, dass beispielsweise die richtige Ernährung und sportliche Betätigung die Rezidivrate bei Dickdarm-Karzinomen senkt. Der Stoffwechsel hinkt unserem Lebensstil nach und greift in viele Dinge ein. Weniger Bewegung führt zum Beispiel zu Knochenabbau. Dabei werden Stoffe freigesetzt, die wiederum das Brustgewebe angreifen.

derStandard.at: Brustkrebs ist also eine Folge von Übergewicht und Wohlstand?

Hoffmann: Das Risiko einer Brustkrebserkrankung nach der Menopause ist bei adipösen Patientinnen um 30 bis 50 Prozent höher als bei Normalgewichtigen. Übergewichtige haben einen erhöhten Spiegel an Sexualhormonen, die starken Einfluss auf das Tumorwachstum haben. Die erhöhte Masse an Fettspeicherzellen erleichtert die Einlagerung von karzerogenen Substanzen im Fettgewebe.

derStandard.at: Frauen haben die Risikominderung damit selbst in der Hand?

Hoffmann: Zum Teil, ja. Aber das wissen nur die wenigsten Frauen. Über Prävention wird viel zu wenig informiert. In der Schweiz gibt es eine Uni für Prävention, bei uns wird nach wie vor lieber therapiert als präventiv gearbeitet. In Österreich ist das die Kombination aus Pille und Rauchen ein "Naja-halb-so-schlimm-Thema". In anderen europäischen Staaten ist die Gefahr, die davon ausgeht, bereits allgemein bekannt.

derStandard.at: Welche präventiven Tipps geben Sie Ihren Patientinnen?

Hoffmann: Ernährungsformen, die das Krebsrisiko senken, bestehen aus pflanzlichen Stoffen. Faserreiches Gemüse und Ballaststoffe reduzieren das Risiko. Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Ei gehören ebenfalls auf den Speiseplan. Zurückhaltung empfiehlt sich dagegen bei Alkohol, rotem und verarbeitetem Fleisch.

Viermal wöchentlich ist moderate Bewegung wie Joggen, Tanzen oder Walken angesagt. Bei intensiver sportlicher Aktivität im Kindesalter ließe sich auch die erste Menarche hinauszögern. Bewegungsmangel fördert dagegen das frühe Einsetzen der Periodenblutung. Setzt diese später ein, sinkt das Brustkrebsrisiko deutlich.

Vorsicht ist auch bei Xenoöstrogenen angesagt, die über Kosmetika, Weichmacher, Deodorants, Holzschutzmittel in unseren Körper gelangen können. (Gabriela Poller-Hartig, derStandard.at, 3.1.2013)