Foto: Ubuntu.com

Das Ubuntu-Jahr 2013 beginnt mit einer Ankündigung der besonders ambitionierten Sorte: Im Vorfeld der Consumer Electronics Show (CES), die kommende Woche in Las Vegas abgehalten wird, hat Softwarehersteller Canonical die Erweiterung seiner Aktivitäten auf den Smartphone-Bereich angekündigt.

Zielsetzung

Mit "Ubuntu for Phones" will man eine Alternative zu Android, iOS und Co schaffen - und hofft dabei vor allem auf die Verlockungen der Konvergenz zwischen unterschiedlichen Gerätetypen. Eine für Ubuntu entwickelte App soll künftig auf unterschiedlichsten Formfaktoren laufen, also vom Smartphone bis zum Desktop.

UI-Konzepte

Darüber hinaus will man aber auch mit neuen User-Interface-Konzepten glänzen, die weder den klassischen Android/iOS-Konzepten noch einem Windows-Phone-Ansatz folgen. Ähnlich wie bei Nokias N9 mit MeeGo stehen bei Ubuntu for Phones Wischgesten ganz im Vordergrund: So kann etwa die Liste der favorisierten Apps über einen kurzen "Swipe" vom linken Bildschirmrand aufgerufen werden - vergleichbar mit dem Unity-Launcher der Desktop-Version von Ubuntu.

Gesten

Ein vollständiger Swipe von links nach rechts führt hingegen zu einer Übersicht der aktuell laufenden Anwendungen. Mit einer Wischbewegung in die umgekehrte Richtung wird hingegen zur zuletzt benutzten App zurückgekehrt. Auf klassische Navigationselemente verzichtet man hingegen zur Gänze, fixe Knöpfe am Smartphone sind in diesem Konzept also nicht mehr vorgesehen. Der "Home Screen" wiederum präsentiert sich vor allem als Liste der zuletzt genutzten Anwendungen und Dokumente.


Mark Shuttlworth stellt "Ubuntu for Phones" vor

Es ist nicht Canonicals erster Versuch Fuß im Smartphone-Bereich zu fassen. Rund ein Jahr ist es her, da verfolgte man mit "Ubuntu for Android" noch einen etwas anderen Ansatz. Als ein Aufsatz für Android war die damals präsentierte Lösung gedacht, ein Art "Webtop", der bei der Verbindung mit einem Dock statt dem Android-System genutzt werden hätte können.

Desktop

Diesen Ansatz hat man dabei keinesfalls begraben, wie Shuttleworth eilig betont, so soll "Ubuntu for Phones" ebenfalls einen Desktop-Modus bieten, der beim Einstecken in ein Dock auf einem externen Monitor dargestellt wird. Aktuelle Smartphones seien längst so leistungsfähig wie kleine Desktop-Rechner, also können sie auch als solche benutzt werden - so der Gedanke. Gerade für Firmen sieht man in so einem Ansatz einen entscheidenden Vorteil, immerhin gebe es nur ein System zu warten und abzusichern. Das erwähnte "Ubuntu for Android" soll übrigens trotzdem separat weiter gepflegt werden. Hier hofft man im Verlaufe des Jahres die ersten konkreten Partnerschaften verkünden zu können.

Technische Basis

Bei der technischen Implementation von "Ubuntu for Phones" hat man sich (ähnlich wie auch Mozillas Firefox OS, Anm.) indirekt Hilfe von Google geholt, nutzt Ubuntu for Phones doch den Android-Kernel - der wiederum allerdings natürlich eine angepasste Version des Linux-Kernels ist. Der entscheidende Vorteil dieser Herangehensweise: Man bekommt all die für Android entwickelten Treiber quasi "gratis" dazu, kann also bestehende Smartphones rasch unterstützen.

"Ubuntu for Phones" Hands on

Über der Kernel-Ebene gehen die Systeme dann allerdings deutlich auseinander, Ubuntu will ein vollständiges Linux sein, wo Android nur begrenzte Ähnlichkeit mit dem üblichen "Userspace" des freien Betriebssystems aufweist. Auch in der Entwicklung von Apps geht man vollständig andere Wege: So können Ubuntu-Apps sowohl als "Web Apps" - also in HTML5 - oder "nativ" für das auch von MeeGo, Symbian oder KDE bekannte Qt/QML samt OpenGL-Support für 3D-Operationen verfasst werden.

Vorteile

Ubuntu-Gründer Shuttleworth streicht dabei heraus, dass durch den Verzicht auf eine Virtual Machine, wie sie bei Android in Form von "Dalvik" zum Einsatz kommt, ein entscheidender Overhead entfällt, Ubuntu-Apps (zumindest jene, die in QML mit C++ verfasst werden, Anm.) also eine bessere Performance - und einen niedrigeren Speicherverbrauch - liefern sollen.

Zeitablauf

Wann - und ob - erste Geräte mit "Ubuntu for Phones" auf dem Markt kommen, steht derzeit allerdings noch in den Sternen. Shuttleworth spricht vage von Anfang 2014, konkrete Partnerschaften kann man bislang jedoch nicht vorweisen, insofern ist dies also eher noch als Hoffnung zu werten.

Galaxy Nexus

Bis es soweit ist, nutzt man bestehende Hardware: Für EntwicklerInnen - und interessierte Ubuntu-EnthusiastInnen soll in den "kommenden Wochen" ein erstes Image von "Ubuntu for Phones" veröffentlicht werden, das sich auf dem Galaxy Nexus installieren lassen soll. Das Vorjahresmodell von Google soll zumindest vorerst auch die einzige offiziell von Canonical unterstützte Plattform bleiben. Aufgrund der vollständigen Verfügbarkeit des Source Codes ist allerdings zu erwarten, dass sich die Community rasch um weiter Portierungen kümmern wird.

Einheitlich

Aktuelles Entwicklungsziel ist es jedenfalls mit Ubuntu 14.04 - also jener Version, die im April 2014 erscheinen soll - ein gemeinsames Linux-System vom Server bis zum Smartphone anzubieten.

Einschätzung

Auf dem umkämpften Mobilfunkmarkt wird es für Canonical trotzdem nicht gerade leicht werden, konkurriert man - neben Google, Apple und Microsoft, doch auch noch mit einer wachsenden Schar anderer Unternehmen, die ebenfalls einen Fuß in den Smartphone-Markt bringen wollen. So arbeitet etwa Samsung aktuell an Tizen, Mozilla setzt mit Firefox OS - und dem Partner Telefonica - ganz auf Web Apps, und dann steht natürlich noch Jolla mit dem MeeGo-Nachfolger Sailfish OS in den Startlöchern. (apo, derStandard.at, 03.01.13)