AMS-Schulungen: Alles nur Schönfärberei?

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Wien - Die Zuwachsraten sind dramatisch: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen lag in Österreich im Dezember um 36 Prozent höher als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Die Arbeitslosigkeit insgesamt stieg dagegen im selben Zeitraum um "nur" sechs Prozent an. Das ergibt sich aus den am Mittwoch veröffentlichten Daten des Sozialministeriums.

Bereits seit Juni 2012 nimmt die Zahl der dauerhaft Erwerbslosen rasant zu, schon im November lag die Zuwachsrate mit 30 Prozent exorbitant hoch. Das AMS hat für die Entwicklung eine technische Erklärung: Als langzeitarbeitslos gilt in Österreich, wer seit zwölf Monaten keinen Job findet und keine Schulung besucht, die länger als 62 Tage dauert. Für diese Gruppe wurden die Schulungen im vergangenen Jahr zurückgefahren, weshalb in der Statistik inzwischen 6500 Personen als langzeitarbeitslos registriert sind.

Allerdings ist die Zahl der Menschen, die nicht mehr am Arbeitsmarkt unterkommen, weit größer, als aus dieser Statistik hervorgeht. Rechnet man jene Personen hinzu, die keinen Job finden, aber an einer längeren AMS-Schulung teilgenommen haben, sind in Österreich nämlich 54.400 Menschen seit über zwölf Monaten arbeitslos. Zählt man noch jene hinzu, die derzeit gerade einen Kurs belegen, sind sogar 82.434 Menschen - und damit 21 Prozent aller Arbeitslosen - Langzeitfälle. Die Zahl ist um zwölf Prozent höher als vor einem Jahr.

Dass das Sozialministerium in seinen regelmäßigen Veröffentlichungen nur den niedrigsten Wert zur Langzeitarbeitslosigkeit präsentiert, stößt auf teils heftige Kritik von Experten. Martin Mair, Obmann des kleinen Vereins Aktive Arbeitslose, spricht von Schönfärberei mittels Schulungen. Viele der AMS-Kurse seien qualitativ nicht hochwertig - oft müssten Arbeitslose mehrmals denselben Kurs besuchen, um die Statistik zu verbessern.

Fundierte Ausbildung

AMS-Chef Johannes Kopf argumentiert dagegen, dass ein großer Teil der Schulungen eine fundierte Ausbildungen beinhaltet, wodurch der Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtert werde. Da viele Kursteilnehmer nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, müsse auch für niederschwellige Angebote - Stichwort Bewerbungen schreiben - Platz sein, so Kopf.

Dass sich mit Schulungszahlen Statistiken beschönigen lassen, zeigt derzeit die Stadt Wien: Im Bundesländervergleich ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit mit plus 4,9 Prozent im Dezember gering ausgefallen. "Arbeitslosigkeit wächst deutlich langsamer", hieß es dementsprechend in einer Aussendung des AMS Wien. Allerdings ist die Zahl der Schulungen mit plus 24,4 Prozent in keinem Bundesland derart rasant gestiegen wie in Wien. Rechnet man Schulungen und Arbeitslose zusammen, stieg die Zahl der Erwerbslosen in der Hauptstadt um fast acht Prozent.

Ein weiterer starker Anstieg betrifft laut Statistik den Gesundheits- und Sozialbereich, wo die Arbeitslosigkeit um 12,4 Prozent angestiegen ist. Dass im Sozial- und Gesundheitssektor rasant Jobs abgebaut werden, weist man sowohl im Sozialministerium als auch beim AMS zurück. Da die statistische Erfassung im April 2012 umgestellt wurde, seien die Zahlen nicht vergleichbar. Im Gesundheitssektor sinkt laut AMS die Arbeitslosigkeit sogar. Einen Anstieg der Quote habe es nur im Bereich des "sonstigen Sozialwesens" gegeben, der insbesondere Beratungstätigkeiten (für Flüchtlinge, Selbsthilfegruppen, Familienberatung) betrifft.

Wo sich die Sparpolitik im Sozialwesen nachweislich bemerkbar macht, ist die Steiermark: Die Betreuungseinrichtungen haben dort rund 1000 Kündigungen angemeldet. Laut Betreuungseinrichtungen leidet unter den Kürzungen vor allem die Betreuungsqualität im Behindertenbereich. (András Szigetvari, Walter Müller, DER STANDARD, 3.1.2013)