Für Renate Kaufmann kommen Zusammenlegungen von Bezirken nicht infrage: " Es sprechen auch Kostengründe dagegen." Foto: Matthias Cremer

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Renate Kaufmann, rote Bezirksvorsteherin von Mariahilf, über rot-grüne Befindlichkeiten, Mietobergrenzen und Sachlichkeit beim Parkpickerl. Von Petra Stuiber und Bettina Fernsebner-Kokert.

Standard: An den Adventsamstagen war die Mariahilfer Straße so, wie sie in Zukunft sein wird: verkehrsberuhigt, im Mittelpunkt die Fußgänger - und alle sind zufrieden. Warum dauert es trotzdem noch so lange, bis es so weit ist?

Kaufmann: Man kann die Adventsamstage nicht mit dem Normalbetrieb auf der Mariahilfer Straße vergleichen. Da sperren wir einfach zu, mit wenigen Querungsmöglichkeiten, das war es dann auch schon. Wir wollen aber eine Mariahilfer Straße, die allen Bedürfnissen entspricht: denen der Anrainer, der Kunden und eine sinnvolle Umleitung, die den Verkehr in der Umgebung nicht zum Erliegen bringt.

Standard: Nimmt die Politik vielleicht zu viel Rücksicht? Man wundert sich, wie lange dieses Projekt schon dauert.

Kaufmann: Das verstehe ich, ich würde mich auch wundern, wenn ich nicht involviert wäre. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Durchzugsroute Schottenfeldgasse, Webgasse, Grabnergasse - wenn man hier ein paar Einbahnen umdreht, ist sie weg. Aber die Autofahrer sind clever. Sie finden in der nächsten Parallelgasse eine kleine Umfahrung. Und daher muss man die Anrainer befragen, das muss man gut vorbereiten, und das dauert. Und es gibt immer wieder Einsprüche der Wirtschaftskammer. Das muss man auch festhalten.

Standard: Aber auch Sie haben Einsprüche eingebracht und Pakete wieder aufgeschnürt. Warum?

Kaufmann: Man hat mich zum Beispiel informiert, dass die Autobuslinie 2A nicht mehr fahren soll. Das ist für die älteren Bewohner Mariahilfs unmöglich, vor allem dort, wo die Mariahilfer Straße ansteigt. Dann hat man vorgeschlagen, der 2A soll bergauf auf der Mariahilfer Straße fahren, bergab aber dann über den 7. Bezirk. Mag sein, dass das die Wiener Linien glücklich gemacht hätte und meinen Bezirksvorsteher-Kollegen Blimlinger in Neubau - aber für mich kam das so nicht infrage. Da haben wir lange verhandelt, und der Kompromiss war, dass wir auch zu diesem Punkt die Anrainer befragen. Vielleicht liege ich ja falsch, und diese Buslinie wird tatsächlich nicht mehr gebraucht.

Standard: Sind die Ergebnisse der Befragung im Jänner bindend?

Kaufmann: Ja, absolut. Wobei man präzisieren muss: Es geht um einzelne Punkte - die Buslinie, diverse Querungen. Dass eine Fußgängerzone kommt, ist fix.

Standard: Wann wird die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße Realität sein, und was wird das kosten?

Kaufmann: Unser Ziel ist der Sommer 2013, da soll die provisorische Verkehrsberuhigung stattfinden, noch ohne Umbauten, aber schon mit all den Verkehrslösungen rundherum. Die konkrete Planung beginnt jetzt, für das Budget 2013 haben wir Planungskosten im Ausmaß von 390.000 Euro vorgesehen. Was die Umsetzung kostet, können wir bis dato noch nicht wissen.

Standard: Wie funktioniert Rot-Grün insgesamt in Wien?

Kaufmann: Ich bin bei allen heiklen Themen in den Verhandlungskomitees. Ich finde, das Klima ist gut. Vizebürgermeisterin Vassilakou geht dort, wo sie den Vorsitz führt, clever vor. Man geht nicht immer in einem Eitel-Wonne-Klima auseinander, aber wir wissen wenigstens zumeist, wie wir zu einer Lösung kommen können.

Standard: Hat Vassilakous Vorschlag einer Mietobergrenze etwas für sich?

Kaufmann: Ja, und es ist auch wichtig, es zu diskutieren. Stadtrat Ludwig kümmert sich immer um diese Themen, er war halt nur in den Medien nicht so laut wie Maria Vassilakou. Wie heißt es so schön in Wien? Einmal der Gigl, einmal der Gogl. Welcher Regierungspartner gerade damit in die Medien geht, stört vielleicht ein wenig die Befindlichkeiten - aber wichtig ist, dass man nicht vergisst, Lösungen zu erarbeiten.

Standard: Sind Sie für Mietobergrenzen im Altbau?

Kaufmann: Ja. Wir erleben immer noch Spekulationen, obwohl es in den 1970er- und 1980er-Jahren viel schlimmer war. Wir könnten aber auch heute noch stärkere Regulierungen vertragen.

Standard: Beim Parkpickerl hatte man mitunter den Eindruck, dass auch rote Bezirke, konkret Favoriten, Vassilakou auflaufen ließen.

Kaufmann: Dass der 10. Bezirk keine großen Probleme ohne Parkpickerl hat, während der 13. oder der 18. Bezirk (beide sind VP-regiert, Anm.) schon Schwierigkeiten haben, zeigt, dass es regional unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Ich denke, wenn es ein SP-Vorschlag gewesen wäre, hätte sich Favoriten auch gegen das Parkpickerl entschieden.

Standard: Also sachliche Entscheidungen?

Kaufmann: Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel. Ich schätze Frau Vassilakou sehr und kann mit den Grünen sehr gut. Ich sage immer, ich habe ein rotes Herz mit grünen Tupfen. Trotzdem habe ich Vassilakous Vorstoß, Parkplätze fürs Carsharing zu reservieren, abgelehnt. Weil ich es ungerecht finde, nur eine einzige Firma zum Zug kommen zu lassen. Das wurde in der Öffentlichkeit als Rot gegen Grün wahrgenommen.

Standard: Bezirke können bei vielen Themen ein Veto einlegen. Müsste man nicht, wenn man in dieser Stadt etwas weiterbringen will, eigentlich die Bezirke entmachten?

Kaufmann: Kämen Sie auf die Idee, in Niederösterreich St. Pölten und Wiener Neustadt und in Tirol Innsbruck und Kufstein ihre Bürgermeister wegzunehmen?

Standard: Nein, aber ich käme auf die Idee, zum Teil Gemeinden zusammenzulegen.

Kaufmann: Das können Sie aber nicht vergleichen. Die Gemeinden, die etwa in der Steiermark zusammengelegt werden, haben keine 2000 Einwohner. Bei uns haben die Bezirke aber zwischen 30.000 und knapp 180.000 Einwohner. Favoriten als einwohnerstärkster Bezirk wäre in Wirklichkeit die drittgrößte Stadt Österreichs. Wir mögen als Bezirke zwar räumlich sehr klein sein, sind aber von den Einwohnerzahlen, den Schulen, den Einrichtungen, die wir verwalten, mit halben Bundesländern zu vergleichen.

Standard: Müsste man trotzdem nicht die Strukturen ändern? Etwa Bezirke zusammenlegen?

Kaufmann: Es wird Sie nicht wundern, dass ich als Bezirksvorsteherin dagegen bin. Es sprechen auch Kostengründe dagegen. Seit es die Dezentralisierung gibt, wurde das Geld viel effizienter eingesetzt. Weil man in kleineren Einheiten besser kontrollieren und wirtschaften kann. Mariahilf ist so gut wie schuldenfrei, und bei uns finden Sie trotzdem keine Schlaglöcher, die Parks und Schulen sind saniert. Das würde bei einer Zentralverwaltung nicht gehen, das sage ich aus voller Überzeugung. (Petra Stuiber und Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, 2.1.2013)