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Suche nach dem gewissen Etwas bei Strauß: Dirigent Franz Welser-Möst und die hochkonzentrierten Philharmoniker mit Konzertmeister Rainer Küchl.

Foto: EPA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Eher aussichtslos, das Frieren für die "Rettung" der Heimat: Jene wenigen Vertreter einer Anti-EU-Partei müssen bibbernd zusehen, wie die Besucher des Neujahrskonzertes an ihren "Österreich raus aus der EU" -Transparenten eiligst ins Musikvereinsgebäude ziehen. Es ist doch richtig kühl geworden an diesem ersten Vormittag des Jahres 2013.

Ob es einen geheimen Zusammenhang zwischen äußeren Temperaturen und den dann bei der Strauß-Musik im Goldenen Saal erzeugten gibt, wäre noch zu untersuchen. Es klingt drinnen jedenfalls zunächst ein wenig überhitzt-grobschlächtig - an jenen Stellen jedenfalls, da das philharmonische Orchester kollektiv "zulangt", als gelte es, sich bei Josef Strauß (Die Soubrette) durch Lautstärke aufzuwärmen.

Später sollte sich diese unschöne Entladung der Dezibelkraft bei Suppés Ouvertüre zur Leichten Cavallerie wiederholen. Längst aber wurde auch evident, dass Dirigent Franz Welser-Möst jemand ist, der im Detail dann doch ausgewogene und markante Rufzeichen zu setzen versteht. Bei der Theater-Quadrille (Josef Strauß) geht es so diszipliniert wie herzhaft zu; aus der Akzentuierung einzelner Phrasen entsteht besondere Spannung. Und: Bei der Cavallerie-Ouvertüre beginnen die Kantilenen endlich zu glühen.

Die Suche nach Tiefsinn

Und wie dann mit den passablen Sphärenklängen, dem sensiblen Walzer von Josef Strauß, der zweite Teil seinen Lauf nimmt, rundet sich das Neujahrskonzert zu einer respektablen Suche nach Leichtigkeit, die hier und da auch zu ihrem Recht kommt.

Ein bisschen überraschend, dass dies bei zwei kürzeren Polka-Stücken passierte: Die Spinnerin (Josef Strauß) jedenfalls bezirzte mit jener Schwerelosigkeit, die in Verbindung mit dem spezifischen Klang der Streicher jenes gewisse Etwas bewirkt, das sich auch bei der Gallopin -Polka (Josef Strauß) dann im schnelleren Tempo einstellt. Hier kündigte sich schon an, was sich beim Walzer Wo die Zitronen blüh'n ganz substanzvoll materialisieren sollte. Endlich kam da dieser fragile und gleichzeitig doch präsente Tonfall zum Zug, der Melodien eine ganze, ambivalente Welt einhaucht und so etwas wie den Charme glückseliger Melancholie erweckt.

Sicher: Auch die Unter-vier-Augen-Polka changierte munter zwischen resch und zart. Und Joseph Lanners Steyrische Tänze op. 165 lockten mit abgründigen Wanderungen ins Reich des Innehaltens und Beschleunigens, wie auch die Melodien-Quadrille von Strauß Sohn und Verdis Prestissimo aus der Don-Carlo-Ballettmusik so akkurat wie pointiert absolviert wurden. Das Besondere allerdings, das als Substrat dieses recht seriösen Neujahrskonzertes bleiben wird, ereignete sich bei der Polka française Die Spinnerin und dem Zitronen-Walzer.

Der heitere Schluss

"Recht seriös" meint diesfalls, dass das heurige Neujahrskonzert um ein Haar fast scherzfrei geblieben wäre, - wäre da nicht der Schluss mit der Fantasie Erinnerungen an Ernst von Strauß Vater. Dieses honorige Stück bietet allerlei solistische Einlagen quer durch die Klanggruppen, was Welser-Möst die Gelegenheit bot, eine Menge Plüschtierchen (auch einen behörnten Helm) zu verschenken, bis Konzertmeister Rainer Küchl dem Maestro eine Kochhaube wie einen Kochlöffel überreichte, mit dem er schließlich das lustige Stück zu Ende "rührte". Keine unelegante dramaturgische Variante, sich den Konzertspaß bis zum Finale aufzuheben.

Ob sich der kommende Neujahrsdirigent daran halten wird, muss sich weisen. Es handelt sich dabei für 2014 (zum zweiten Mal) um Daniel Barenboim, der beim Neujahrsgruß zum Donauwalzer sicher mehr plaudern wird, als Welser-Möst, der mit den Musikern knapp "Prosit Neujahr!" wünschte. Wer auf Tonträger nachhören mag, wie das heuer klang, muss übrigens nur bis 4. Jänner warten. Sony stellt einen Produktionsweltrekord auf. Zudem wird das Ganze auch als gute alte Langspielplatte (ab 18. Jänner) zu erwerben sein. Rührend. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 2.1.2013)