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Foto: Reuters/Ratner

Dieser ist der letzte Beitrag im Blog "Jerusalem: Geschichten aus Nahost". Das jedoch nicht, weil diese Kolumne eines jungen Journalisten besonders schlecht, oder besonders gut war. Oder weil die oft polarisierenden Texte als zu "Pro-Israel", oder zu "Pro-Palästina" wahrgenommen wurden. Sondern weil der Sparzwang der Medienlandschaft manchmal auch jene frisst, die im Prinzip am wenigsten kosten. So ist die Finanz-Stimmung nicht nur in den Redaktionen zu Hause trüb, sondern auch draußen in den Regionen der Welt, wo freie Korrespondenten oft um jeden Euro kämpfen müssen. 

Dabei ist die Nachricht von der Schließung dieses Blogs im Vergleich zum Schicksal anderer ja noch leicht zu verkraften. So hat etwa mein Korrespondenten-Kollege Max Borowski von der Financial Times Deutschland nach deren Pleite mit einem Schlag seinen Posten verloren. Andere flüchten aus Israel, weil die hohen Lebenskosten kaum mehr durch Zeilenhonorare abzudecken sind. Man könnte sagen: Egal, es gibt doch genug Zeitungen und Nachrichtenagenturen. Auch Journalisten gibt es in Israel-Palästina ohnehin sehr viele. Das mag stimmen. Doch mit dem Sterben einer weiteren Zeitung, der Schließung eines weiteren Blogs, schließt sich immer auch ein subjektives Fenster in eine andere Welt. Und bedenkt man, dass wir Journalisten in gewissem Sinne auch Historiker sind, die eine Geschichte von Morgen in der Gegenwart dokumentieren, ist jede am Boden der Tatsachen recherchierte Zeile, die veröffentlicht wird, auch eine Informationsquelle in der Zukunft.

Schleichender Wandel

Nach eineinhalb Jahren des Blogger-Daseins stellt sich rückblickend auch die Frage: einen Teil welcher Epoche der israelisch-palästinensischen Geschichte und Gegenwart habe ich dokumentiert? Die späten Achtziger waren die Jahre der ersten Intifada. Die 90er die sogenannten "Oslo-Jahre" hoffnungsvoller Friedensabkommen. Deren Scheitern und angesammelter palästinensischer Frust ließen die zweite Intifada ausbrechen, die den Konflikt in ein blutiges neues Millennium führte. Danach folgten Vermittlungsversuche, verheerende Kurzkriege und ein fast schon zur Routine gewordener Kleinkrieg um Land, Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung, sowie mehr israelische Siedlungen, die Spaltung der Palästinenserführung, Nationalismus, und religiöser Fanatismus. Nur was markieren die letzten beiden Jahre?

Einerseits eine Art von Stillstand, denn auf den ersten Blick tut sich nichts im nahöstlichen Friedensprozess. Andererseits aber auch Veränderungen mit immensen Folgen. Doch all diese Veränderungen sind schleichend, langsam, und deshalb für Medien schwieriger zu fassen: der langsame Ausbau von israelischen Siedlungen in jenen Gebieten, die einen palästinensischen Staat zukünftig nicht mehr umsetzbar machen. Legalisierungen von Siedlungen, die selbst unter israelischem Recht illegal waren, und die Radikalisierung der Jugend auf beiden Seiten des Konflikts. Dann ist ein zunehmender Einfluss von populistischen religiösen Nationalisten in Israel zu vernehmen, die den Zionismus mit einem göttlichen Auftrag verbinden und auf das gesamte Gebiet des historischen Israel-Palästinas ausdehnen. Auch der schleichende Zusammenbruch der palästinensischen Eliten in der Fatah, die nach dem arabischen Frühling langsam aber doch in den Schatten der Hamas gefallen sind, und ihre völlige Abhängigkeit von westlichen Geldgebern und der israelischen Gunst, sind augenscheinlich. Diese Art von Stillstand bleibt nur dann Stillstand, wenn man nicht genau genug hinsieht. Ich habe versucht, immer wieder genau hinzuschauen. Zumindest, soweit es mir möglich war.

Ich bedanke mich bei allen Lesern und Leserinnen für die Treue, und auch für jeden einzelnen kritischen Kommentar. Wer meine journalistische Arbeit auch weiterhin verfolgen möchte: meine Facebook-Seite Geschichten aus Nahost und mein Twitter-Account bleiben natürlich. Dort wird in den nächsten Tagen auch meine neue Webseite angekündigt werden, auf der über soziale Medien die wichtigsten Nachrichten und Geschichten aus Nahost zusammenlaufen werden. Und natürlich bleibe ich weiterhin Korrespondent der Wiener Zeitung und freier Autor anderer Publikationen, wie derStandard.at.