Im ereignisreichen Jahr 2012 war ein ganz entscheidender Tag der 26. Juli: In einer Rede vor Bankern in London versprach der Präsident der Europäischen Zentralbank, "alles Nötige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird reichen."
Mit diesen Worten hat Mario Draghi damals den Bann der Eurokrise gebrochen. Sicher, die Milliardenschulden in Südeuropa sind immer noch da, das Bankensystem in Spanien und Irland kaputt, die Pläne für Bankenunion und Fiskalpakt sind noch nicht umgesetzt, und die Eurozone steckt in einer Rezession. Aber das, was den Euro in den Monaten und Jahren davor am meisten gefährdet hatte, nämlich die sich selbst erfüllende Erwartung, dass die Währungsunion auseinanderbricht, war mit einem Schlag vorbei.
Ab diesem Zeitpunkt fassten die Investoren wieder Mut, sanken die Renditen auf Staatsanleihen der Krisenländer und wurden gewisse Grundlagen für eine spätere wirtschaftliche Erholung gelegt. Die jüngste Heraufstufung von Griechenland durch die Ratingagentur Standard & Poor's war ein weiteres Anzeichen dafür, dass der Euro das Schlimmste hinter sich hat.
Die Eurokrise war von Anfang an eine zweifache - eine wirtschaftliche und eine politische. Für die ökonomischen Probleme konnte es nie rasche Lösungen geben. Die Staaten müssen durch den mühsamen Prozess des Schuldenabbaus und der Strukturreformen durch, wobei man eigentlich nur über das Tempo diskutieren kann.
Auch für die politischen Versäumnisse der Eurozone gab und gibt es keine Patentrezepte. Zum Sprung in einen echten Bundesstaat, der einer gemeinsamen Währung den notwendigen Rückhalt geben kann, ist Europa einfach nicht bereit. Aber zwei Signale waren notwendig, um den Druck der Märkte auf die schwächsten Eurostaaten zu nehmen: die Bereitschaft der EZB, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, und das klare Bekenntnis Deutschlands zum Verbleib von Griechenland - und damit der anderen Krisenländer - in der Eurozone.
Dank Draghi sowie dem deutschen Führungsduo Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ist im vergangenen Sommer beides eingetreten. Die Kosten der Krise für die Überschussstaaten sind dadurch nicht gestiegen - zumindest noch nicht. Selbst die EZB hat Draghis dramatischer Ankündigung noch keine konkreten Taten folgen lassen - und nicht müssen. Denn wie es viele vorausgesagt hatten, haben allein die Worte des Präsidenten gereicht, um die Psychologie der Märkte zu verändern. Der Rückgang der Renditen ist mehr als nur ein Symbol der Entspannung; er erspart den leeren Staatskassen Milliarden.
Die Lehren aus diesen Entwicklungen ist klar: Die Politik ist den Märkten nicht hilflos ausgeliefert. Sie kann sie steuern und zähmen, wenn sie halbwegs klug agiert. Entscheidend dafür sind weniger die großen Würfe - wie zuletzt der Plan von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für ein Eurozonen-Budget - als kleine, aber entschlossene Schritte in eine klare Richtung. Das beste Beispiel dafür war Draghis Zauberspruch, der auch deshalb neue Fakten schuf, weil er den destruktiven Widerstand der Deutschen Bundesbank gegen eine aktive EZB-Politik überwand.
Die Eurozone ist noch lange nicht aus der Gefahrenzone heraus. Aber das vergangene Jahr hat gezeigt, dass ein effizientes Krisenmanagement für sie den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann. (Eric Frey, DER STANDARD, 31.12.2012./1.1.2013)