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Die texanische Kultur wurde stark von den deutschen Einwanderern geprägt. So ist beispielsweise das Wurstfest der Texas-Deutschen die lokale Version des Münchner Oktoberfestes.

Foto: dapd

Houston - Als Warren Hahn in Doss aufwuchs, einer kleinen Gemeinde von Viehzüchtern im Zentrum von Texas, war Deutsch die Verkehrssprache. Es wurde in der Kirche, in Geschäften und zu Hause gesprochen. Die Sprache war es, die die Gemeinde der eng verbundenen Texas-Deutschen zusammenhielt.

Heute ist der 77-jährige Hahn einer der Letzten einer aussterbenden Art. Als einer der Jüngsten der verbliebenen 8000 Sprecher des einst in Texas dominierenden deutschen Dialekts, weiß er, dass eine ganze Kultur vom Aussterben bedroht ist, die einen der wichtigsten Staaten Amerikas grundlegend mitgestaltet hat. "Die Wahrheit ist, dass sie verschwindet", sagt er im Standard-Gespräch.

Die Geschichte, wie die deutsche Kultur und Sprache Texas geformt haben, ist wenig bekannt. Im 19. Jahrhundert immigrierten tausende Deutsche und einige Siedler aus dem heutigen Österreich nach Texas auf der Suche nach neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, vor allem in der Viehzucht. Sie ließen sich in großen Landstrichen des Staates nieder, insbesondere im heutigen Texas Hill Country um San Antonio, und sie gründeten deutsche Enklaven mit Namen wie New Braunfels und Fredericksburg.

Im frühen 19. Jahrhundert sprachen ungefähr 100.000 Menschen in der Region ein Deutsch, das sich zu einem eigenen Dialekt entwickelt hatte, der ausschließlich in Texas gesprochen wurde.

Aber als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde Deutsch als die Sprache des Feindes betrachtet. Ihr Gebrauch wurde in Schulen verboten und war in texanischen Gemeinden äußerst unpopulär, erklärte Hans Boas, Professor an der University of Texas, der sich mit der Erforschung von Texas-Deutsch beschäftigt. "Der Krieg war der Anfang vom Ende des Dialekts", sagt er. "Deutsch zu sprechen war mit einem wirklichen Stigma behaftet."

Das "Dialect Project"

Boas, ursprünglich aus Deutschland, ist einer der größten Verteidiger des Dialekts. Mit seinem "Texas-German Dialect Project" hat er quer durch den Staat die Eigenheiten des Texas-Deutsch aufgezeichnet, bevor die letzten verbliebenen Vertreter dieser Sprache sterben. "Diejenigen, die in den 1930er-, 1940er- und 1950er-Jahren geboren wurden, sind tatsächlich alle, die noch übrig sind", sagt Boas. Nur wenige von ihnen haben die Sprache an ihre Kinder weitergegeben.

Heute, während einige Städte in Texas deutsche Namen tragen und deutsche Architektur aufweisen, spricht dort fast niemand mehr Deutsch. Englisch und Spanisch, das von Immigranten aus Mexiko in die Region gebracht wurde, sind die Sprachen, die zu hören sind.

"Die Geschichte wiederholt sich", sagt Boas. Als sie erstmals in die USA einwanderten, wurden deutsche Immigranten und ihre Sprache als eine Herausforderung für die nationale Kultur betrachtet. Heute sehen viele Amerikaner mexikanische Einwanderer in einem ähnlichen Licht.

Das traditionelle Wurstfest

Einige Texas-Deutsche haben ihre Antwort auf die kulturelle Krise darin gefunden, alles zu tun, um zu erhalten, was es noch zu erhalten gibt. Rodney Koenig, ein 72-jähriger Anwalt aus Houston, engagiert sich seit Jahren in lokalen Gruppen zum Erhalt der deutschen Kultur. Er war Präsident des "Houston Sängerbunds", einer musikalischen Organisation. " Wir hören die Sprache nicht mehr so oft, deshalb müssen wir sie am Leben erhalten, so gut wir können", sagt er. Diane Moltz, 72, aus dem kleinen Städtchen New Braunfels, engagiert sich ebenfalls in der lokalen deutschen Sprachgemeinschaft, besucht Polka-Tanzabende und verbringt Zeit bei der lokalen Version des Oktoberfests, hier als "Wurstfest" bekannt. Aber sie gibt zu, dass man kaum wissen kann, ob ihre Bemühungen einen Einfluss auf zukünftige Generationen haben werden.

Und was würde das Aussterben dieser Sprache für das reiche Erbe der texanischen Kultur bedeuten? "Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand weiß", sagt sie. "Es ist einfach so traurig." (Moises Mendoza Hendrik Sy/DER STANDARD, 31. 12. 2012)