STANDARD: Das vergangene Jahr bescherte Kärnten einige politische Skandale. Wieso scheint dieses Bundesland besonders tief im Korruptionssumpf zu stecken?
Zernatto: Tatsächlich konnte der Eindruck entstehen, Kärnten ist das Zentrum korrupter Aktivitäten. Was passiert ist, ist nicht mehr erträglich. Bei den kommenden Wahlen wird die Bevölkerung ein Zeichen setzen, dass sie Politik, wie sie gang und gäbe war, nicht mehr akzeptiert. Ich hoffe, dass es Alternativen geben wird, durch die der Wähler seinen politischen Unmut artikulieren kann.
STANDARD: Ist das eine Wahlempfehlung an neue Kleinparteien?
Zernatto: Das Jahr 2012 war für die ÖVP-Kärnten eine Katastrophe. Ich stehe absolut hinter den neuen Repräsentanten. Doch es wird der Demokratie nicht schaden, wenn kleine Parteien das Feld aufmischen. Eine Demokratie, die von sich behauptet, gefestigt zu sein, wird solche Entwicklungen aushalten müssen.
STANDARD: Also begrüßen Sie das Team Stronach in Kärnten?
Zernatto: Jeder, der bereit ist, politische Verantwortung zu übernehmen, soll eine Chance bekommen - auch wenn Stronach ein eigenartiges Verständnis von Politik hat. Er kann zumindest als Zwischenablage für heimatlosgewordene Wählerstimmen dienen. Denn das einzig Fatale wäre doch, wenn die Leute gar nicht mehr wählen gingen.
STANDARD: Was müssen ÖVP und SPÖ tun, um zu bestehen?
Zernatto: Die ehemaligen Großparteien sollten wieder den Mut haben, unterschiedliche Positionen zu vertreten. Denn wenn sie sich auf ihre ideologischen Grundlagen rückbesinnen, wird auch Stronach da landen, wo er hingehört: im politischen Archiv.
STANDARD: Also Schluss mit rot-schwarzem Kuschelkurs?
Zernatto: Wer Demokratie will, muss auch Auseinandersetzungen wollen, denn sie sind ihr Salz. Politische Ideen gehören gegeneinander aufgestellt und diskutiert, dann kann ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden. Der Bevölkerung wird nicht zugetraut, schwere Entscheidungen mitzutragen. Das ist ein Fehler.
STANDARD: Was bräuchte es, damit die Politik wieder sauberer wird?
Zernatto: Die Politik wurde in den vergangenen Jahren nicht unsauberer. Was sich verändert hat, ist die öffentliche Wahrnehmung. Was früher Normalität war, wird heute kritisch hinterfragt. Transparenz entsteht durch medialen und öffentlichen Druck.
STANDARD: Aufgrund des Drucks wird am 1. Jänner ein neues Lobbyistengesetz in Kraft treten. Wird es Korruption zukünftig verhindern?
Zernatto: Ich halte das Gesetz für eine absolut richtige Maßnahme, auch wenn es für manche Betroffene im ersten Moment unangenehm sein sollte. Endlich wird die Branche rechtlich legitimiert. Es wird anerkannt, dass es diese Form der Unternehmensbetreuung gibt und geben darf. Denn für alle, die sich mit Lobbyismus seriös auseinandersetzen, ist, was in den vergangenen Jahren aufkam, eine absolute Geschäftsstörung.
STANDARD: Es wird kritisiert, weil es laschere Auflagen für Lobbying der Arbeiter- und Wirtschaftskammer als für Unternehmen vorsieht.
Zernatto: Natürlich ist es für Agenturen nicht nachvollziehbar, dass nicht überall mit denselben Maßstäben gemessen wird. Doch momentan weiß noch niemand, wie sich das Gesetz umsetzen lässt. Wir müssen das Pilotjahr auf uns zukommen lassen.
STANDARD: Was wünschen Sie der heimischen Politik für 2013?
Zernatto: Wir sind eines der letzten Länder in Europa, in denen es ein Tabu ist, Koalitionsvorstellungen kundzutun. Der Wähler sollte wissen, was er mit seiner Stimme kauft. Das trauen sich aber nur die Grünen.
STANDARD: Was ist Ihre Wunschkoalition für kommenden Herbst?
Zernatto: Eine, in der die ÖVP eine tragende Rolle spielt. Als Partner wäre jede Partei abgesehen von der FPÖ absolut akzeptabel. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 31.12.2012)