Die Volksbefragung über Wehrpflicht/ Berufsheer am 20. Jänner wird höchstwahrscheinlich eine sehr niedrige Beteiligung haben (Umfragen kommen auf 30 Prozent). Die Menschen möchten nichts gefragt werden, was ihrer Meinung nach die Politik entscheiden soll, was überhaupt nicht ausreichend debattiert wurde und was letztlich aus den taktischen Überlegungen zweier wahlkämpfender Bundesländer-Granden (in Wien Häupl, in NÖ Pröll) entstanden ist.

Die Fragestellung (wollen Sie Wehrpflicht mit Zivildienst oder Berufsheer mit bezahltem Sozialdienst) ist eine Themenverfehlung, weil wichtige Entscheidungsgrundlagen - was kostet das alles, welches umfassende Konzept liegt dem überhaupt zugrunde, wie sollen beide Varianten konkret aussehen) von den Regierungsparteien verweigert wurden.

Wenn das kein Paradebeispiel für die Verantwortungs-, Ideenlosigkeit und Führungsschwäche unseres politischen Personals ist, was dann? Meine kürzliche Kritik an diesem Zustand hat Kritik von Kollegen (Twitter-König Armin Wolf) und Grün-Politikern (Peter Pilz, Christoph Chorherr) hervorgerufen. Aber die Grünen haben sich doch auch der eher schlichten SPÖ-Fragestellung (für Berufsheer) angeschlossen, oder?

Dies, obwohl die SPÖ mit keinem Wort die Probleme diskutiert, die ein Berufsheer mit sich bringt: halbe Analphabeten, sozial Unangepasste, Waffennarren und Rechtsradikale werden einen erklecklichen Teil des Personals ausmachen. In Spanien wurde der erforderliche Intelligenzquotient für die Mannschaften gesenkt; Großbritannien rekrutiert vor und in den Gefängnissen.

Auf der anderen Seite verweigert auch die ÖVP ein genaueres Konzept, wie sie sich ein Wehrpflichtheer künftig vorstellt. Denn eines ist sicher: So wie bisher geht es nicht weiter. Derzeit ist es für die meisten Präsenzdiener wirklich vergeudete Zeit - zu verbringen mit niedrigen Diensten für Offiziere und Unteroffiziere, Langeweile und Saufen.

Im Übrigen ist das jetzige Bundesheer bereits zur Hälfte ein Berufsheer - wie der jetzt abtretende General Christian Segur-Cabanac sagt: Tausende beamtete Mitarbeiter, großteils in der Verwaltung tätig, tragen viel zur Bürokratisierung bei und verursachen einiges an Kosten. Hier müsste reformiert werden, aber da werden wohl der ÖAAB und/oder die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst querschießen wie seit jeher.

Schon die Reformversuche unter Schwarz-Blau (eine Regierung, die für die Landesverteidigung zumindest mentalitär etwas übrig hatte) litten darunter, dass man die Überbesetzung wegen der großteils "schwarzen" Beamten im Heer nicht anzutasten wagte. Hier ist eines der Tabu-Themen jeglicher Bundesheerreform. Die Volksbefragung, deren Ergebnis laut Versprechen der Regierungsspitze bindend sein soll, wird also mangels Beteiligung möglicherweise nicht besonders aussagekräftig sein; was die Koalition dann machen wird, weiß sie vermutlich selbst nicht. Ein Zeichen großartiger Führungskraft, von Ideenreichtum und Verantwortungsbewusstsein ist das alles wirklich nicht. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 29./30.12.2012)