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Die Navy-Seals nehmen den meistgesuchten Terroristen ins Visier: "Zero Dark Thirty".

Foto: ap / Columbia Pictures

  Wien - Dass Kathryn Bigelows Film Zero Dark Thirty über die Suche nach Osama Bin Laden und die Tötung des Al-Kaida-Führers in einer Navy-Seals-Aktion im Mai 2011 nicht unumstritten bleiben würde, war von Beginn an klar. Als in den USA noch Wahlkampf war (und der Film noch in der Herstellung), warf man der Regisseurin vor, sie wolle Barack Obama in die Karten spielen. Sie wurde als "politically connected" verunglimpft, und als konservativ geltende Initiativen wie Judical Watch rechneten bis ins Detail nach, wie viele Dokumente die CIA während der Verfassung des Drehbuchs herausgegeben hatte.

Nun ist Zero Dark Thirty fertig, in den USA ist der Film am Mittwoch vor Weihnachten in ausgewählten Kinos angelaufen. Und schon gibt es den ersten handfesten Vorwurf von politischer Seite: Drei Senatoren (die Demokratin Dianne Feinstein und die beiden Republikaner John McCain und Carl Levin) beklagten in einem offenen Brief, der Film wäre "grob fehlerhaft und irreführend", und zwar deswegen, weil der Eindruck entstehe, dass unter Folter erzielte Verhörergebnisse zu dem Fahndungserfolg geführt hätten.

Die Kritik läuft schon deswegen nicht ins Leere, weil Bigelow keineswegs die Freiheiten einer Fiktion "frei" nach tatsächlichen Ereignissen für ihrem Film beansprucht. Zero Dark Thirty ist zwar dramaturgisch auf eine weibliche Agentin namens Maya (Jessica Castain) zugeschnitten, in der mehrere beteiligte Figuren zusammengefasst wurden; davon abgesehen enthält die mehr als zweieinhalbstündige Darstellung aber eine äußerst tatsachennahe Schilderung von Geschehnissen seit dem 11. September 2001, mit dem die Erzählung auch beginnt.

Den Senatoren stieß unangenehm auf, welch prominente Rolle die Foltermethoden der CIA in Zero Dark Thirty insgesamt spielen. Bigelow geht es dabei aber nicht so sehr um eindeutige Zuordnung bestimmter Informationen zu "coercive interrogation", sondern um das generelle Klima jener Jahre, vor dessen Hintergrund Maya die Informationen zusammenträgt, die über Bin Ladens Kurier schließlich nach Abottabad führten.

Das entscheidende Detail kommt auch im Film von anderer Seite, es ist gerade eines, das im Zuge der Folterpolitik übersehen wurde. Dass Maya eine höchst ambivalente Heldin ist, dass sie keineswegs nur zu positiver Identifikation einlädt, ist ein Aspekt, der den politischen Kritikern vermutlich schon zu differenziert ist. Aber auch der Guardian hat inzwischen scharfe Worte gefunden: Die Oscar-Favoritin Kathryn Bigelow sei "eine Fetischistin und Sadistin".

Weitere Debatten werden Zero Dark Thirty vermutlich mindestens bis zu den Oscars begleiten, vor dem Hintergrund einer Stimmungslage, die man wohl als offene Vergangenheitsbewältigung bezeichnen muss: Die USA sind mit ihrem "War on Terror" alles andere als fertig.    (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 29./30.12.2012)