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Rund 40 Flüchtlinge verbringen nach wie vor ihre Nächte in der kalten Votivkirche, ein Dutzend verweigert jedes Essen. Ein Arzt, der sie untersucht hat, rät dringend, eine Lösung zu finden.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Wien - Seit zehn Tagen und Nächten wohnt und schläft Mohammad Numan, 25, in der Eiseskälte der Wiener Votivkirche, seit fünf Tagen befindet er sich mit einem Dutzend Mitstreitern in Hungerstreik - und ans Aufhören denkt der junge Mann aus Pakistan, einer der Wortführer der protestierenden Flüchtlinge, keineswegs. Denn was er will und braucht, ist ebenso grundlegend wie offenbar unerreichbar: ein Land, in dem er bleiben kann, um ein "möglichst gutes Leben zu leben", wie er sagt.

Keine Chance in Österreich

Österreich gibt ihm diese Chance nicht: In zwei Instanzen wurde Numans Asylantrag rechtskräftig abgelehnt, nur dreieinhalb Monate nachdem er ihn Mitte September eingebracht hat - und anderer Aufenthaltstitel steht ihm keiner offen. Nun soll er das Land binnen 14 Tagen verlassen, nur: wohin? "Nach Griechenland, wo ich vor faschistischen Schlägertrupps wegrennen musste? Nach Pakistan, wo ich von Gruppen der Polizei verfolgt wurde?", fragt Numan - und schüttelt zornig den Kopf.

Dieser Zorn - das wird nach mehreren Gesprächen klar -, eint die rund 40 Protestierenden auf dem Matratzenlager im Gotteshaus. "Ich bin 47 - und davon 40 Jahre auf der Flucht, erst mit meinen Eltern, dann mit Frau und Kindern, dann allein. Ich bin ein internationaler Mensch und habe doch nirgendwo eine Zukunft", sagt etwa der pakistanische Paschtune Khan Adalat. Über seine Berufung gegen die Asylablehnung in erster Instanz wurde bisher noch nicht entschieden.

Wollen und bekommen

Was die protestierenden Flüchtlinge wollen, ist, in Österreich bleiben zu dürfen oder woanders in Europa eine Chance zu bekommen - sowie ein Arbeitsrecht und frei gewählte Unterkünfte. Was sie - derzeit - bekommen, ist Hilfe von der Caritas sowie ärztliche Betreuung.

Am Mittwoch hatte Michael Hüpfel, Chefarzt der Johanniter Unfallhilfe, die Hungerstreikenden untersucht. Er fand einige nach vier Tagen Streik "bereits geschwächt, weil sie nicht nur nichts gegessen, sondern auch nichts getrunken hatten". Mit viel Zureden sei es gelungen, sie vom "Durststreik, der geradewegs zum Nierenversagen führt", wieder abzubringen, schildert der Mediziner dem Standard. Als Arzt hoffe er dringend auf eine Lösung in der kommenden Woche.

Wenig hilfreiche Unterstützer

Als wenig hilfreich hatte Hüpfel manche Unterstützer erlebt, die seine Untersuchungen gefilmt hätten: "Sie haben laut Kritik geübt, dabei waren die Flüchtlinge mit meinem Einschreiten einverstanden." Aus Caritas-Kreisen ist von "fast stündlichem Aufwecken der Flüchtlinge durch Unterstützer in der Nacht" zu hören, samt Verbreitung angstmachender Gerüchte, "etwa, dass die Polizei am Anrücken sei".

Als Proponent solch destruktiver Unterstützung wird vielfach der als Anarchist bezeichnete Deutsche Hans-Georg Eberl genannt, der dies im STANDARD-Gespräch bestreitet. Er sei "Teil der Bewegung für mehr Rechte von Flüchtlingen", sagt er. Außerdem: "Ich bin seit letzten Freitag auf Familienurlaub." (Irene Brickner, DER STANDARD, 28.12.2012)