Die "Fiskalklippe" genannten automatischen Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in den USA sind nur noch neun Tage entfernt, und bisher taumelt die US-Politik ungebremst diesem Abgrund entgegen. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, ist mit seinem Versuch, einen Minimalkompromiss durchzudrücken, an seinen eigenen Leuten gescheitert. Damit fällt er als Gesprächspartner praktisch aus. Denn es gibt keine sinnvolle Verhandlungslösung, die sowohl für das Weiße Haus und als auch für die Rechtsaußen-Republikaner im Kongress akzeptabel sein könnte.

Präsident Barack Obama bleibt fast nichts anderes übrig, als über die Fiskalklippe am 1. Jänner zu springen und danach erst zu versuchen, im Angesicht einer drohenden Rezession einen Deal mit Boehner auszuhandeln, den dieser auch gegen den Widerstand der Tea Party durchbringen kann. Viele demokratische Parteistrategen halten dies ohnehin für den besseren Weg und warnen Obama davor, wieder allzu rasch nachzugeben. Sein jüngstes Angebot, die Einkommensgrenze für Steuererhöhungen von 250.000 auf 400.000 Dollar zu erhöhen, sei schon zu viel gewesen.

Aber erstens entspricht ein solches Vabanquespiel nicht Obamas Charakter, und zweitens sind dessen Folgen für die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft nicht abzuschätzen. Das Gift, das die Tea Party der amerikanischen Politik eingeträufelt hat, wird auch im neuen Jahr weiterwirken. (Eric Frey, DER STANDARD, 22./23.12.2012)