"Großartige Möbel braucht man als Priester ja sowieso nicht." Diakon Kidane Wodajo Korabza in seinem vorübergehenden Wohnzimmer in Weer.

Foto: Günter Richard Wett

Kidane Wodajo Korabza arbeitet als Priester im Seelsorgeraum Weer in Tirol. Mit Wojciech Czaja sprach der gebürtige Äthiopier über Lebensorte und Heimatgefühl.

"Als Kind war ich lange Zeit Ministrant. Schon damals habe ich davon geträumt, Priester zu werden. Mit 20 Jahren bin ich dann in den Orden der Comboni-Missionare eingetreten. Ich komme zwar aus Äthiopien, genau genommen aus Kokabir, 180 Kilometer südlich von Addis Abeba, aber während meines Noviziats war ich auch schon in Sambia und Malawi tätig. Ich war also immer schon viel unterwegs. Das Reisen ist Teil meines Lebens.

Am Ende des Noviziats war für mich klar, dass ich zum Studium ins Ausland gehen möchte. Meine Wunschorte waren Brasilien, Österreich und Rom. Im Herbst 2005 war es dann so weit. Ich wurde nach Innsbruck geschickt und habe da begonnen, Theologie und Religionspädagogik zu studieren. Ich konnte kein Wort Deutsch und musste mir die Sprache erst langsam aneignen.

Die größte Überraschung aber war das Klima. Ende September bin ich angekommen, im November hat es bereits geschneit. Äthiopien ist zwar nicht sehr heiß, weil der größte Teil des Landes Hochebene auf 1800 Metern ist, aber diese Kälte in Tirol ist schon wirklich sehr kalt. Minus 15 Grad, das geht in die Knochen! Doch schon bald war ich abgehärtet und bin dann sogar im Winter mit dem Rad zur Uni gefahren, immer wieder mit Ausrutschen und Umfallen. Nach ein paar Wochen konnte ich bereits rodeln, nach zwei Jahren habe ich Skifahren gelernt.

Wenn man aus Afrika kommt, ist das Leben in Österreich gewöhnungsbedürftig. Einerseits ist alles sauber und perfekt organisiert, und die Verkehrsmittel fahren regelmäßig, andererseits ist die Kultur eine ganz andere. Da hilft es schon, dass die Tiroler gleich du zu jedem sagen. Mittlerweile fühle ich mich hier richtig wohl.

Seit Anfang September lebe ich nun in Weer, eine halbe Stunde Fahrt von Innsbruck entfernt. Ich mache hier jetzt das sogenannte Diakonatsjahr. Und wieder ist das Leben ganz anders. Weer ist ein kleines Dorf mit circa 1500 Einwohnern. Normalerweise wohnen die Priester und Diakone im Pfarrhaus, aber das wird gerade umgebaut. Daher wohne ich im Gemeindehaus in dieser schönen Wohnung: 53 Quadratmeter, fixfertig möbliert, es gibt alles, ich musste nichts mehr kaufen.

Es reizt mich, mit dem zurechtzukommen, was da ist. Großartige Möbel braucht man als Priester ja sowieso nicht. Nur ein paar Sachen sind von mir, zum Beispiel ein paar Marienbilder im Wohnzimmer und in der Küche sowie ein äthiopisches Kreuz aus Silber, das jetzt über der Couch hängt. Außerdem habe ich mir ein Bibeleck eingerichtet. Das ist ein kleines Direktorium, wo ich oft das Tagesevangelium aufschlage. Die Bibel liegt offen da. Die Kerze ist mir auch sehr wichtig. Nur beim roten Bild habe ich keine Ahnung, was das soll. Das war schon da. Ich nehme an, das ist Kunst.

Die Leute fragen mich oft, wie meine Zukunft ausschauen wird. Ich habe keine Ahnung. Mein Motto lautet: Lebe heute! Und was morgen kommt, das gib in Gottes Hand! Ich plane nicht langfristig. Ich weiß nur eines: Das größte Ereignis meines Lebens wird die Priesterweihe nächstes Jahr sein. Dann werde ich in eine andere Gemeinde in Tirol übersiedeln und mir wieder eine neue Heimat suchen. Aber das macht nichts, denn Heimat ist ja nicht nur ein bestimmter Ort oder ein Land, sondern auch der eigene Sinn des Lebens, der Kontakt mit den Menschen, die eigene Arbeit. Das ist eine Art zweite Heimat.

Irgendwann einmal werde ich wahrscheinlich eine eigene Pfarre in Tirol übernehmen. Keine Ahnung wo, aber das werde ich dann schon sehen. Im Sommer werde ich jedenfalls nach Äthiopien fliegen, um meine Familie zu besuchen. Gerade jetzt zu Weihnachten denke ich mir: Ein bisschen fehlt sie mir schon, meine erste Heimat." (DER STANDARD, 22./23.12.2012)