Wien/Mondsee - Beim Stichwort "Antarktis-Bohung" kann man derzeit leicht den Überblick verlieren: Am Lake Vida nahe der US-amerikanischen McMurdo-Station haben US-Forscher Eisproben entnommen. Australien will im Rahmen des Aurora Basin North Project 600 Kilometer weit im Landesinneren der Ost-Antarktis eine 400 Meter tiefe Bohrung duchführen. Und dann ist da noch im Westen des Kontinents das Projekt des British Antarctic Survey (BAS), an dem auch ein österreichisches Unternehmen beteiligt ist.

Hintergrund des Projekts

Mittels Heißwasser wollen die Wissenschafter durch den 3.000 Meter starken antarktischen Eispanzer zu einem seit etwa 500.000 Jahren von der Umwelt abgeschotteten See vordringen. Nach technischen Problemen hoffen die Forscher, die Bohrungen in den nächsten Tagen wieder aufzunehmen. Gelingt der Durchstich, wird auch ein Spezialgerät zur Entnahme von Sedimentbohrkernen des Mondseer Unternehmens UWITEC zum Einsatz kommen. Für Firmengründer Richard Niederreiter wäre das Gelingen des Großprojekts "ein besonders schönes Weihnachtsgeschenk".

"Es ist gerade sehr spannend", sagt Niederreiter. Vor allem, da die Kerosinvorräte knapp bemessen seien und nur für einen richtigen Versuch reichen würden. Als Zielort haben sich die Briten den Ellsworth-See unter dem Westantarktischen Eisschild ausgesucht. Die Projekt-Vorbereitungen laufen bereits seit 16 Jahren. Insgesamt wurden etwa 70 Tonnen Ausrüstung mit Kettenfahrzeugen fast 300 Kilometer über das Eis transportiert.

Das Interesse der Wissenschaft begründet sich vor allem in der völligen Isolation des Sees. Sollte man dort Lebewesen finden, würde das einen Blick auf genetische Informationen erlauben, die seit sehr langer Zeit unbeeinflusst sind. Man erhofft sich nicht zuletzt auch von der Untersuchung der See-Sedimente neue Erkenntnisse über die Evolution des Lebens auf der Erde, die Entwicklung der Antarktis und des Klimas.

Technische Probleme

Vergangene Woche begannen die Arbeiten vor Ort, doch am 15. Dezember musste das Team wegen Problemen mit dem Hauptboiler, der das sterile Wasser für die Bohrung auf 90 Grad erhitzt, vorerst abbrechen. Derzeit wird auf ein Ersatzteil gewartet, damit das zwölfköpfige Team wieder mit der Arbeit beginnen kann, teilte das Projektteam mit.

90.000 Liter Wasser müssen erhitzt werden, um über die Düse am Ende des Schlauchs das Loch bis zum See durchzuschmelzen. So soll ein Bohrloch mit 40 Zentimeter Durchmesser entstehen, durch das die wissenschaftlichen Messinstrumente in den See abgesenkt werden. Nach einer Messsonde, die Wasserproben und Sedimente von der Oberfläche des Seebodens nehmen wird, soll das Gerät von UWITEC tieferliegende Ablagerungen zutage fördern. Mit einer Kamera wird die richtige Position knapp über dem Seeuntergrund bestimmt, ehe dann das Rohr etwa dreieinhalb bis vier Meter in den Untergrund getrieben wird. Da das Bohrloch rasch wieder zufriert und mit jeder Stunde etwa sechs Millimeter an Durchmesser verliert, muss die Entnahme der Proben 3.000 Meter unter dem Eis schnell erfolgen.

Das auf wissenschaftliche Sedimentbohrungen spezialisierte Unternehmen hat die Vorrichtung speziell für die hohen Anforderungen dieser Mission entwickelt. Solche Vorhaben brächten "bestes Renommee" mit sich, erklärte Niederreiter. Läuft alles nach Plan, erhoffen sich die Oberösterreicher bei zukünftigen Projekten einen Fuß in der Tür zu haben. Niederreiter verweist darauf, dass bisher annähernd 400 derartige Seen entdeckt wurden. Auch ein amerikanisches Team sei derzeit mit einem ähnlichen Vorhaben in der Westantarktis - Zielort Lake Whillans - und auch "die Engländer planen schon weiter". (APA/red, derStandard.at, 21. 12. 2012)