Hoffnungsfroh: Paul Brannigan in "Angel's Share".

Foto: Filmladen

Wien - Als "Angels' Share" eines Whiskys bezeichnet man jenen Teil, der bereits im Fass verdunstet. Es gibt also immer ein paar gute Schlücke, die sich der Verwertbarkeit entziehen. Am Briten Ken Loach, der in seinen Filmen mit Vorliebe solche sozialen Außenseiter ins Zentrum rückt, für die zu wenig übrigbleibt, kann so ein mysteriöser Vorgang nicht unbemerkt vorübergehen - und so entwickelt er in seiner in Cannes mit dem Jury-Preis prämierten Komödie auch einen ausgelassenen Plot, in dem die "Engel" einmal ein bisschen mehr abkriegen als sonst.

Im Mittelpunkt steht eine Figur, wie Loach sie gemeinsam mit seinem langjährigen Drehbuchautor Paul Laverty schon oft ersonnen hat: Robbie (Paul Brannigan) ist ein junger Tunichtgut aus Glasgow, der für eine brutale Körperverletzung ins Gefängnis musste und nun den Rest seiner Strafe in Form von gemeinnütziger Arbeit versehen soll. Verantwortungsbewusstsein, ein Begriff, der Robbie bisher eher wenig sagte, kommt ihm durch seine neue Vaterrolle zu - der Mann hat eindeutig vor, sich zu bessern.

Während sich der typische Loach-Film nun eingängiger mit dem Milieu und den Energien der Figur befassen würde, entscheidet sich The Angels' Share für ein im britischen Kino beliebtes Komödienrezept. Die einigermaßen authentischen Charaktere werden in für sie fremdes Terrain versetzt, während der Plot durch eine erbauliche Fabel über die Überwindung von Hindernissen führt.

In diesem Fall entdeckt Robbie durch Zufall ein erstes Talent an sich: eine feine Nase. Sie führt ihn mitsamt seiner Entourage zu einer Whisky-Destillerie in den Highlands - und von dort hoffentlich in ein besseres Dasein. Dass sich Loach und Laverty auf proletarische Typen mit " street credibility" verstehen, zeigt sich in dieser Zusammenarbeit vor allem an einigen komischen Wortwechseln (ein persönlicher Favorit: "You philippine!" statt "You philistine!").

Doch Loachs Handhabung der Raubgeschichte bleibt unbeständig, und die Nuancen der Geschichte dieser Schmalspurkriminellen erscheinen eher gering. In The Angels' Share ist der Sozialrealismus der britischen Schule nur noch ein Arthouse-Abenteuer, in dem die Kontraste schottischer Lebenswelten ein paar gelungene Pointen abwerfen.  (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 21.12.2012)