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Viele Vorhaben, aber keine echten Initiativen: Lorenzo Ornaghi, 2011 beim Besuch von Pompeji, das dringend saniert gehört.

Foto: apa / EPA/CESARE ABBATE

Zu Beginn des Jahres 2012 schrieben die Leiter der größten Museen, Kunsthäuser und archäologischen Stätten an Lorenzo Ornaghi, den italienischen Kulturminister des Technokraten-Kabinetts, einen Brief. Sie äußerten darin die Befürchtung, dass weitere Kürzungen des ohnehin schon knapp bemessenen Kulturetats vor allem auf Kosten derjenigen gehen könnten, die tagtäglich an der Front der Kulturrettung kämpfen. Mit anderen Worten: sie selbst.

Ihre Gehälter sind in der Tat lächerlich niedrig. So verdient die Verantwortliche der weltberühmten Sammlung der Uffizien in Florenz 1780 Euro netto im Monat. Krisenzeiten sind sicher nicht der geeignete Zeitpunkt für Forderungen nach Gehaltserhöhung, doch zumindest verdiente das Schreiben eine Antwort. Sie blieb aus. Auch eine weitere Bitte wurde geflissentlich überhört: die Liste der Funktionäre und Berater des Ministeriums, inklusive ihrer Gehälter, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Womit wir wieder beim leidigen Thema wären: das Schmarotzertum. Italien krankt an einem Politapparat, der Unsummen verschlingt und wenig dafür leistet. Jegliche Hoffnung, dass dies dank eines Technokraten und gar von der katholischen Hochschule Sacro Cuore aus Mailand besser würde, wurde enttäuscht. Professor Ornaghi übertraf in negativem Sinne sogar noch seine Vorgänger Sandro Bondi und Giancarlo Galan, beide Mitglieder der Berlusconi-Partei PDL. Diese unternahmen Schritte, die sich zwar nicht selten als Fehltritte entpuppten, doch wenigstens taten sie etwas. Ornaghi macht es geschickter. Er legte die Hände in den Schoß und wartete. Doch worauf? - so die bange Frage. Mit Nichtstun ist dem Kulturgut wenig geholfen, es schreit förmlich nach Verteidigung.

Pompeji ist weiter dem Verfall ausgesetzt. Der großartig angekündigte 105 Millionen Euro schwere Sanierungsplan, den die EU knapp zur Hälfte mitfinanzierte, ist nicht über die Projektphase hinausgekommen. Neue Berater wurden zwar hinzugezogen - auf Kosten der Steuerzahler -, doch keiner der öffentlich ausgeschriebenen Verträge wurde bisher vergeben, geschweige denn Hand angelegt, beispielsweise an das so dringend notwendige Entwässerungssystem. So tröpfelt der Regen munter weiter und höhlt den Stein - bis zum nächsten Einsturz.

Kampf ums Kolosseum

Auch die Sanierung des Kolosseums wird von Monat zu Monat verschoben. Im Frühjahr hieß es Herbst, im August versprach Ornaghi, Anfang Dezember sei es so weit, jetzt ist von Januar die Rede. Doch wagen viele, dies zu bezweifeln, denn am Horizont droht ein neuer juristischer Streit aufzuziehen. Wurde die Klage wegen angeblicher Ungereimtheiten bei der Vergabe der "Obhut" des Theaters abgeschmettert und dem Luxusgüter-Unternehmer Diego Della Valle vom Modehaus Tod's grünes Licht für seinen 25 Millionen schweren Sponsoren-Einsatz gegeben, zieht jetzt der Lizenzinhaber des ambulanten Handels, Tredicine, zu Felde.

Der Clan, der in Rom den Straßenverkauf fest in der Hand hat, befürchtet, von Della Valle aus seinem "Hoheitsgebiet" vertrieben zu werden. Die gusseiserne Umzäunung, die zunächst einmal um das Kolosseum errichtet werden soll, um eventuellen Sach- und Personenschäden während der Sanierung vorzubeugen, ist dem Unternehmen ein Dorn im Auge. Den Gnadenstoß aber dürfte dem Souvenirverkäufern und ambulanten Imbissbuden das hochmoderne Besucherzentrum versetzen, das Della Valle im Schatten des Amphitheaters einzurichten gedenkt.

Es sind Maßnahmen, die dem Wahrzeichen der Ewigen Stadt zum Schutz gereichen, sie zielen auf eine Musealisierung des Amphitheaters ab, was alles andere als beklagenswert wäre, würde sie vom Staat und nicht von einem privaten Luxusgüterunternehmer betrieben. Doch Ornaghi ist zufrieden und protestierte auch nicht gegen weitere Kürzungen, die Ministerpräsident Mario Monti dem Kulturministerium auferlegte. Er zuckte mit den Achseln und eilte mit fliegenden Fahnen zur Tagung Stati Generali della Cultura, die die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore in Rom im November abhielt.

Sanierungsbedürftige Politik

Begeistert klatschte er Beifall, als die Vertreter der Zeitung, die der Confindustria, dem größtem Unternehmerverband Italiens gehört, verkündeten, die Kultur liege in den letzten Zügen, weshalb die Übernahme der Kulturpflege durch private Hand unabdingbar sei. Nur mit dem folgerichtigen Schluss vieler Kulturschaffender, man sollte auch gleich das Kulturministerium abschaffen, war Ornaghi dann doch nicht ganz einverstanden.

Gehen muss er trotzdem, denn die Zeit der Technokraten-Regierung ist abgelaufen. Das Resultat: Neben der Kultur ist nun auch das Ministerium sanierungsbedürftig. Oder, will man etwas gnädiger sein, es ist sanierungsbedürftiger, als es vorher war. Doch trifft das leider nicht nur auf das Kulturministerium zu, die Regierung Monti hinterlässt hat noch in manch anderen Bereichen tiefe Spuren.   (Eva Clausen aus Rom, DER STANDARD, 21.12.2012)