Blindtest
So weit die Nase reicht: Neue Parfums im Test
Rechtzeitig vor Weihnachten haben wir wieder zum Parfum-Blindtest geladen. Heuer bewerten Gewürzhändlerin Natalie Pernstich, Winzerin Judith Beck und Apotheker Alexander Ehrmann die neuen Düfte. Die Testsieger: Tonka Imperiale und Amazinggreen
Ansichtssache
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Stephan Hilpold
21. Dezember 2012, 17:00
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Judith Beck ist Winzerin und betreibt das Weingut Beck in Gols (www.weingut-beck.at ), Natalie Pernstich
ist Gewürzhändlerin, Kochbuchautorin und Chefin von Babette's Spice and
Books for Cooks in der Schleifmühlgasse 17 und am Hof 13 in Wien (www.babettes.at ), und Alexander Ehrmann
ist Apotheker und betreibt unter der Marke Saint Charles ganzheitliche
Gesundheitskonzepte, unter anderem die Saint Charles Apotheke in Wien. (www.saint.info ).
Die meisten der getesten Düfte sind in guten Parfümerien erhältlich.
Ausnahme: Guerlains Tonka Impériale. Er ist in Österreich nur bei Le
Parfum am Petersplatz 3 in 1010 Wien zu haben. Er ist mit 180 Euro auch
der teuerste Duft, alle anderen bewegen sich in herkömmlichen
Preiskategorien.
In dieser Galerie: 10 Bilder
Kokorico Jean Paul Gaultier
"Ein Herrenduft", prescht Natalie Pernstich vor. Obwohl: Wenn ihre Mutter früher fortgegangen sei, erzählt die Besitzerin vom Gewürzladen Babette's in Wien, habe es ähnlich gerochen. Schwer sei er, sagt Winzerin Judith Beck, floral, wirft Apotheker Alexander Ehrmann ein.
Der Duft rieche stark nach Feigen, sei dabei aber nicht dezidiert weiblich. Je länger der Duft sich entfalten kann, umso herber wird er. Sandelholz machen unsere Tester aus, Zedern. Nein, ein Damenduft sei das nicht, darin sich alle einig. Alexander Ehrmann erinnert der Duft stark an Polo von Ralph Lauren. Das Blütige des Anfangs ist bald verflogen, der Duft wirkt gesetzt. Judith Beck mag den Duft, Ehrmann ist weniger begeistert. Judith Beck findet ihn zumindest nicht unangenehm, verschenken würde sie ihn nicht. Sobald das Geheimnis gelüftet wird, ist das Erstaunen groß: Optisch spricht der Flakon die Runde nicht an, der Name passe nicht zum Design.
Florabotanica Balenciaga
Rosen machen die Tester aus, doch dann halten sie schnell inne: Eine Melonen-Note, eine Gurken-Note stellen sie fest. Irgendwie würde der Duft auch als Duschgel passen, befindet Beck. "Ich würde mir damit durchaus die Haare waschen", sagt Pernstich. Ob sie das positiv meine? Ja, warum nicht, man benutze ja auch gern ein gutes Duschgel. Ehrmann assoziiert mit dem Duft ein junges Mädel: "Mariahilfer Straße am Nachmittag. Slimfit-Hosen. Bauchnabelfrei."
Der Duft habe etwas Frisches, Reines, das mache die seifige Komponente aus. Immer intensiver werde der Duft, befindet Beck, er entfalte sich aber nicht, "er hat etwas Eindimensionales". Ich wüsste jemanden, dem ich den Duft schenken würde, einer quirligen 21-Jährigen, sagt Pernstich. Recht viel älter sollte die Beschenkte nicht sein, darin sind sich alle einig. Erstaunen, als das Geheimnis gelüftet wird: "So jung gibt sich Balenciaga?" Die typische Balenciaga-Frau habe man sich doch um einiges älter vorgestellt.
Amazinggreen Comme des Garçons
Sehr schön, gefällt mir, Urlaub auf Capri: Die Reaktionen unserer Tester sind gleich schon einmal sehr positiv. Ob das ein Duft für einen Mann oder eine Frau sei, darauf will man sich nicht festlegen. Unisex, befindet Pernstich, eher männlich, meinen Beck und Ehrmann. Iris, Koriander machen die Tester aus, je länger sie daran riechen, umso pfeffriger und holziger wird er.
Ein blauer Duft, meinen die Damen, für den Herrn ist er gelb. "Salz hat zwar keinen Geruch", sagt Pernstich, trotzdem müsse sie daran denken. Als Strandduft möchte sie ihn aber nicht bezeichnen, dafür ist er zu komplex. Ein Duft für jene, die sich jung und dynamisch fühlen, die glauben, nicht wirklich angepasst zu sein. Bei einem Banker-Meeting wäre er zu auffällig. Alle drei Tester würden den Duft auch selbst verwenden. Auch ein toller Flakon, befinden sie. Einer der Testsieger.
Replica / Funfair Evening Maison Martin Margiela
Die ersten Reaktionen sind nicht gerade euphorisch: Kaugummi, sagt
Ehrmann, sehr artifiziell, meint Beck, Pernstich assoziiert Kokos. Ein
rauchiger Akkord wird ausgemacht, auch eine Schokoladennote. Ein Duft
gewordenes Raffaello. Riechen möchte in seiner Umgebung den Duft keiner -
ob er ein Duft für Männer oder Frauen sei, darüber herrschen
unterschiedliche Ansichten. Je länger sich der Duft entfaltet, desto
stechender wird er. Interessanter wird er leider nicht, die süße
Kokosnote wird stärker.
"Ein bisschen so, wie wenn man in der Südsee aus dem Flieger
steigt", meint Pernstich. Leider komme man beim Duft aber nicht wirklich
ins Träumen. Njet, ist das Urteil aller drei Tester. Umso größer das
Staunen, als sie den Flakon sehen: Toll finden sie den, die schönste
Flasche im Test. Immer wieder werden sie im Laufe des Tests auf diesen
Duft zurückkommen: Ach, wenn er doch ein bisschen besser riechen würde!
Coco Noir Chanel
Ui, ist die erste Reaktion: Ein Duft für eine Grande Dame. Ein
schwerer, opulenter Duft. Ist das nicht ein Klassiker, fragt sich
Ehrmann? "Ein Parfum für die Oper, weniger für die U-Bahn." Ein Duft für
spezielle Gelegenheiten. Beck gefällt die sinnliche Note des Parfums,
für sie ist er allerdings auch ein wenig verstaubt. Ist es der Moschus,
der sie stört? Sie denkt an einen Sankt Laurent, einen etwas älteren
Jahrgang.
Ein blütendominierter Duft ist er für Pernstich, sie versucht die
Noten, die sie ausmacht, zu bestimmen: Zimt, Weihrauch. Plötzlich denken
alle an Champagner, an Gold, an Festtage. Fazit: ein interessanter,
vielschichtiger Duft, allerdings nicht für jede Frau geeignet.
Tonka Impériale Guerlain
Ich gehe jetzt Blutspenden, meint Alexander Ehrmann. Ihn erinnert der
Duft in einer ersten Reaktion an einen Krankenhausflur. Sehr chemisch,
sehr alkoholisch, sehr ätherisch, pflichten die anderen bei. Süßholz
macht Pernstich aus, etwas Grünes komme durch. Je länger die drei Tester
am Duft riechen, umso faszinierter sind sie. Er entwickelt sich wie ein
Wein im Glas, befindet Beck. Muskat macht Ehrmann aus, die Tonkabohne.
Das Reinliche des Dufts bleibt aber erhalten. Diese Kombination
gefällt Ehrmann so, dass er sich am liebsten selbst damit besprühen
würde. "Mein bisheriger Favorit", erklärt er. Auch die anderen sind
angetan: Ein zweiter Sieger. Auch ein wunderschöner Flakon. Nach dem
Test würden am liebsten alle drei Tester justament diesen Duft mit nach
Hause nehmen.
Luna Rossa Prada
"Der erinnert mich an Kerstin aus Wuppertal. Ich war 14. Leider war
die Unschuld aber nicht dahin", meint Ehrmann. Dazu passt die erste
Assoziation von Pernstich: ein sauberer Duft. Für Beck ist es ein grüner
Duft, er habe etwas Pflanzliches, etwas Minziges. Als Frauenduft
titulierten unsere Tester den Duft in einer ersten Reaktion, doch nach
ein paar Minuten ist diese Einschätzung dahin. Nein, der ist doch etwas
für Männer! Begeistert sind sie aber alle drei nicht, der Duft entwickle
sich nämlich kaum, er hat wenig Nuancen, befinden sie, er verwelkt.
"Ich finde, ein Herr Vettel könnte diesen Duft tragen, wenn er aus
seinem Auto steigt und zur Siegesfeier geht", sagt Ehrmann.
Ein männlicher, aber fantasieloser Duft. "Für jemanden, der die
Sicherheit der Marke mag", sagt Beck. Auch über den Flakon zeigt man
sich wenig begeistert, schaut billig aus, ist die allgemeine
Überzeugung.
Colonia Intense Oud Acqua di Parma
Stadel, Holz, Heu, das sind die ersten Assoziationen. "Das ist ein
Parfum, das jemand trägt, der reitet", sagt Pernstich, "auf seinem
eigenen Pferd, auf seinem eigenen Gut." Ein sehr klassischer Duft, ist
Ehrmann überzeugt. Alle drei stehen dem Duft wohlwollend gegenüber. Ein
männlicher Duft, mit einer stark holzigen Note. Sandelholz macht man
aus, Zedern, Leder. "Ich kenne jemanden, dem würde ich diesen Duft
schenken", sagt Pernstich, "er hat diesen Verarmten-Adel-Charme. Wenn
ein Loch im Sakko ist, macht das auch nichts." "Meinem 87-jährigen
Schwiegervater würde der Duft auch gut passen", ist Ehrmann überzeugt,
"er verwendet normalerweise Knize Ten."
Ehrmann macht eine Note aus, die er nicht wirklich zuordnen kann. Als
das Geheimnis gelüftet wird, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen:
Oud-Öl, Adlerholzöl war es. Es ist auch für den leicht orientalischen
Einschlag des Parfums verantwortlich. Letzter Kommentar: schöne Flasche.
Code Sport Armani
"I don't like", bricht es aus Pernstich heraus, "was für eine
Zitrusnote, nein, das ist mir zu viel." Beck und Ehrmann sind da
gelassener: Das Parfum habe etwas von Kölnischwasser, ein extremer
Sommerduft. Wenn man so etwas mag, warum nicht? Beck verteidigt den
Duft: Er entwickle sich, die Zitrusnote wird schwächer, er wird
komplexer. Lavendel macht man aus. Für Ehrmann ist er dann allerdings
doch zu wenig speziell.
Am Neusiedler See im Sommer, da würde er vielleicht passen. Pernstich
bleibt bei ihrer Meinung: Zu künstlich ist ihr Verdikt. Am Anfang zu
stark, dann wird der Duft flach.
L'Ambre des Merveilles Hermès
Ein spannender Duft! Alle drei sind sich sofort einig. Sehr süß, sehr
feminin, sehr vanillig. "Ich sehe eine reife Zwetschge vor mir", sagt
Ehrmann. Kein Duft für eine ganz junge Frau. Ein komplexer, aber kein
komplizierter Duft, sagt Pernstich. Wäre der Duft ein Wein, bemerkt
Beck, hätte er zu viel neues Holz bekommen, ihr ist er etwas zu schwer.
Ich würde den Duft ab und zu tragen, allerdings nicht zu oft, sagt
Pernstich. Für Ehrmann ist es der dezidierteste Damenduft im Test, ein
Duft, der eine etwas betagtere Frau jünger machen würde. "Mir ist er
einfach zu schwülstig, tut mir leid", sind Becks letzte Worte. Insgesamt
schneidet der Duft aber ganz gut ab. Auch der Flakon: Seine goldene
Farbe gefällt besonders.
(Stephan Hilpold, DER STANDARD, 21.12.2012)