Wir vergessen die Zustände in der Bananenrepublik und wickeln den Fisch ins Bananenblatt.

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Damit uns am Heiligen Abend nur ja nicht fad wird, kommt diesmal ein Rezept zum Einsatz, das aus einer faszinierenden, unheimlich vielfältigen und vor Würzkraft schillernden Küche stammt. Dennoch ist indonesisches Essen - vom Street-Food-Klassiker Nasi Goreng in einer anämischen Iglo-Interpretation vielleicht abgesehen - bei uns so gut wie unbekannt. Restaurants, die sich dieser großen Küche Südostasiens hierorts widmen, lassen sich an den Fingern einer ziemlich versehrten Hand abzählen. Umso mehr könnten die Feiertage eine Gelegenheit bieten, in diesen unbekannten Kosmos einzutauchen.

Bananenblatt

Ein Bananenblatt spielt darin eine gewisse Rolle, das zu besorgen sollte in einer Republik wie der unseren aber kaum ein Problem sein. Ein Trip in einen gut beleumundeten Asia-Shop (siehe Adressen am Ende des Textes) wird sich aber auch wegen anderer Ingredienzien nicht vermeiden lassen. Auch gute Blumengeschäfte haben oft Bananenblätter im Sortiment.

Die indonesische Küche in traditioneller Form macht kaum einen Unterschied zwischen Vor- und Hauptspeisen: Wie in anderen Ländern Südostasiens auch, werden die Gerichte eines Mahls alle gemeinsam serviert.

Die diesjährige Speisefolge - wie stets für feiertäglich großfamiliäre Ausmaße von acht Personen plus kalkuliert - lässt sich so oder so servieren. Zumindest die Küchenarbeiter aber wissen es wohl zu schätzen, wenn diese schöne Sitte für den Anlass mit übernommen würde, weil alle Arbeit so auf einmal erledigt werden kann. Aber das ist, wie beinahe alles, natürlich Geschmackssache.

Gado-Gado

Womit es sich endlich nicht mehr vermeiden lässt, die Küche aufzusuchen. Wer schon das Glück hatte, auf einer Insel des weitverstreuten, von Erdbeben wie Religionen mannigfaltig heimgesuchten Archipels zu wandeln, den wird nicht wundern, dass Gado-Gado Teil des Menüs ist.

Das weitgehend pflanzliche Gericht steht - vielleicht mit der Ausnahme von Nasi Goreng - wie kein anderes für die beschwingte Art der Speisenkultur in dieser Weltgegend: Vielfältig variiertes, knackig blanchiertes Gemüse wird mit Kräutern, Salat, gebratenen Schalotten und, vor allem, auf unverschämt geile Art süßsauerfetter Erdnusssauce sambal kacang sowie den knusprigen Krabbenchips kroepoek garniert, die man in jedem Asialaden bekommt und binnen ganz weniger Sekunden in heißem Öl zu knusprig, luftig, öliger Köstlichkeit frittiert.

Dazu gibt es sate pentul, kleine Spießchen, wie wir sie wohl alle lieben, die nach balinesischer Art mit kleinen Kugeln grandios würzigen, faschierten Schweinefleischs besteckt sind, sowie weißen Duftreis der möglichst exquisiten Art.

Ikan pepes

Den festlichen Rahmen aber füllt an diesem Abend der im Bananenblatt gegrillte Fisch aus, ikan pepes genannt. In weiten Teilen des Archipels wäre das wohl ein Snapper, aber keineswegs überall - im Gegenteil: Der Fisch wird innen wie außen mit einer kraftvollen Würzpaste eingerieben, die den zarten Eigengeschmack ohnehin in den Hintergrund treten lässt.

Im Westen von Java wird etwa meist Karpfen verwendet. Im Sinne der Authentizität spricht also rein gar nichts dagegen, das quintessenziell mitteleuropäische Weihnachtstier (eng geschröpft!) in die Mitte dieses indonesischen Festmahls zu stellen. Freilich: Wolfsbarsch, Brasse, natürlich auch Zander machen sich mindestens so gut.

Würzpaste

So er frisch und nicht zu fett ist, lässt sich fast jeder Fisch nach dieser Art hernehmen. Wer sich die nun folgenden Ingredienzen der spice paste auf der Zunge zergehen lässt, wird gleich verstehen, warum die exakte Art des Fisches vergleichsweise nebensächlich ist.

Für einen Fisch von zwei Kilo (oder zwei Fische à ein Kilo) wird die Würzpaste aus drei Esslöffeln Tamarindenpaste, fünf bis zehn Chilischoten (wenn es nicht zu feurig sein soll, ohne Kerne und Scheidewände), zwei Stängeln Zitronengras (äußere Blätter entfernen), zwei Lorbeerblättern, zehn Kerzen- oder Macadamianüssen, zwei gehäuteten Tomaten, drei Knoblauchzehen, acht Schalotten, einem acht Zentimeter großen Stück Ingwerknolle, je einem Esslöffel Gelbwurz, Garnelenpaste und Salz, zwei Esslöffeln Zucker sowie einer guten Handvoll Thai-Basilikum (kemangi) gemixt, bis eine geschmeidige Paste entsteht.

Es empfiehlt sich, die gröberen Teile zuvor mit einem scharfen Messser so weit in Form zu bringen, dass der Mixer nicht völlig überfordert ist.

Den Fisch schröpfen

Dann wird der Fisch, so nicht ohnehin geschröpft, auf jeder Seite dreimal schräg eingeschnitten, damit die Würze gut ins Fleisch eindringen kann. Die Paste innen und außen großzügig verteilen, den Fisch in ein gewaschenes Bananenblatt wickeln und mit zuvor in heißem Wasser gewässerten Bambusspießen verschließen.

Bis zu diesem Stadium kann der Fisch bereits am Vormittag vorbereitet werden, sodass er im entscheidenden Moment nur noch gegart werden muss. Dafür den Ofen auf bei 180 Grad vorheizen und das Päckchen rund 30 Minuten (bei zwei kleinen Fischen nur 20 Minuten) im Rohr backen, dann herausnehmen, auf Grillfunktion und maximale Hitze umschalten und den Fisch nochmals beidseitig je fünf Minuten grillen, bis das Bananenblatt schön angekokelt ist.

Auch die Sate-Spieße lassen sich im Vorhinein zubereiten und müssen vor dem Servieren nur noch gegrillt werden - am besten, nachdem der Fisch aus dem Ofen geholt wurde und, noch im Bananenblatt, etwas rastet. 

Für etwa 20 Spieße (zuvor ebenfalls ausgiebig wässern, damit sie unter dem Grill nicht Feuer fangen) wird eine Würzpaste aus drei Schalotten, zwei Knoblauchzehen, einem gehackten Stängel Zitronengras, je einem Teelöffel Chilipaste sambal oelek, gehacktem Ingwer, gehacktem Galgant, Koriandersamen und Salz, je einem halben Teelöffel Kreuzkümmel, Zimt und braunem Zucker, zwei grünen Kardamomkapseln, einer Prise Muskatnuss, frisch gepresster Limette und etwas Erdnussöl abermals zu einer geschmeidigen Paste gemixt. Diese wird mit den Händen unter gut 500 Gramm nicht zu mageres, faschiertes Schweinefleisch aus der Schulter gemischt.

Auf den Grill

Bis hierher lässt sich alles am Tag vorher machen - das Zusammenspiel der Gewürze entwickelt sich sogar besser, wenn sie gut 24 Stunden einwirken können. Am Tag des Festes walnussgroße Kugeln aus der Masse formen und in Dreierreihen auf die Spieße stecken. Mit Folie abdecken und vor dem finalen Grillen mindestens eine Stunde kaltstellen. Während des Grillens - auf einem Backblech, möglichst dicht unter der Heizschlange des Backrohrs - die Spieße zwei- bis dreimal vorsichtig drehen, damit sie gleichmäßig bräunen, insgesamt dauert das nicht länger als sieben bis acht Minuten.

Zu guter Letzt lässt sich auch das Durcheinander - so die Übersetzung von Gado-Gado - wunderbar im Voraus zubereiten. Die vielfältig zusammengesetzte Gemüseplatte wird schließlich meist zimmerwarm gegessen, einzig die Erdnussauce sollte warm sein. Für acht Personen einen Viertel-Krautkopf in Streifen schneiden und in gesalzenem Wasser wenige Minuten blanchieren - knackig ist das Zauberwort. Abschrecken und gut abtropfen lassen.

Mit anderem Gemüse, etwa Fisolen, in Stifte geschnittenen Karotten, Karfiolröschen und Bohnensprossen ebenso verfahren und alles auf einer großen Servierplatte anrichten. Rundherum einen Bund Brunnenkresse (zur Not geht auch rundblätteriger Rucola), ein bis zwei große, weichgekochte und in Scheiben geschnittene Kartoffeln, eine in halbfingerdicke Scheiben geschnittene Salatgurke sowie zwei Esslöffel süß gebratene Schalotten garnieren. Wer will, kann auch noch geviertelte, hartgekochte Eier zugeben - in Indonesien im Grunde nur üblich, wenn Gado-Gado als Hauptgericht serviert wird.

Erdnusssauce

Für die Erdnusssauce, in der all das schließlich zu baden hat, werden 250 Gramm rohe Erdnusskerne in einem Wok mit gut 100 ml Öl unter Rühren angebraten. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen, auf Küchenpapier abtropfen und abkühlen lassen. Alternativ können auch fertig geröstete Erdnüsse verwendet werden, in Jogjakarta würde man ob solcher Inkonsequenz freilich mit einer Mischung aus Spott und Mitleid bedacht.

Im Mixer zu einer Paste verarbeiten. Aus zwei Knoblauchzehen, vier Schalotten, einem Esslöffel Garnelenpaste eine Paste mixen, in etwas Öl anbraten. Je einen halben Teelöffel Cayennepfeffer und braunen Zucker, etwas dunkle Sojasauce und Salz zugeben, mit einem halben Liter Wasser aufkochen lassen und dann die gemahlenen Erdnüsse zugeben. Unter gelegentlichem Rühren rund zehn Minuten köcheln lassen, den Saft einer Zitrone zugeben und bei Bedarf mehr Salz zugeben. Zum Servieren wird die warme Sauce über das zimmerwarme Gemüse gegossen und mit einigen knusprigen Garnelen- bzw. Hummerchips garniert.

All das wird mit einer Schüssel Duftreis sowie Löffel und Gabel - nicht etwa Stäbchen - serviert. Wie so oft in Asien unterscheiden sich die Vorstellungen eines gelungenen Desserts doch recht nachhaltig von dem, was sich unsereins darunter vorstellt, weshalb sich jetzt jeder selbst einbringen darf. Gefühlsmäßig aber dürfte ein kühles, womöglich exotisches Fruchtdessert (Mango-Maracuja-Pavlova?) sich im Anschluss an solch eine Orgie an Gewürzen ziemlich gut machen. Frohes Fest! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 21.12.2012)