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Wenn jemand bis zu 20 Mal pro Tag und zu unvorhergesehenen Zeiten die Toilette aufsuchen muss, wird das Leben massiv belastet.

Foto: APA/dpa/Jörg Carstensen

Chronisch entzündliche Erkrankungen sind in den vergangenen fünf Jahrzehnten in den hoch entwickelten Staaten um das zehn- bis 15-fache angestiegen. Vor allem Kinder und Jugendliche sind immer stärker davon betroffen. Zu diesen chronisch-entzündlichen Krankheitsbildern zählen unter anderem Asthma, Typ 1 Diabetes, Multiple Sklerose und die diversen Formen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED).

Vorwiegend Umwelteinflüsse

Unter den beiden häufigsten Formen von CED - Morbus Crohn und die Colitis Ulcerosa - leiden in Europa etwa drei Millionen Menschen. Das Auftreten der Krankheit ist in jedem Alter möglich, aber zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr liegt der statistische Erkrankungsgipfel. Dies berichten die European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) und die European Federation of Crohn's and Ulcerative Colitis Associations (EFCCA) und rufen zum gemeinsamen Handeln auf.

Walter Reinisch, Gastroenterologe am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH), Medizinische Universität Wien, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit chronisch-entzündlichen Krankheitsformen, speziell mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: "Mit einer genetischen Disposition lassen sich nur ein geringer Teil dieser Erkrankungen erklären. Es sind vorwiegend Umwelteinflüsse, welche chronisch-entzündliche Erkrankungen auslösen." Die Ursachen scheinen fehlerhafte und einseitige Ernährung, Medikamenteneinnahmen wie z. B. Antibiotika, aber auch Rauchen, Stress, der Lebensstil und das Lebensumfeld in den Städten und gesteigerte Hygiene zu sein.

Massiver Anstieg chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen

Bauchschmerzen, mehrwöchige Durchfälle, Gewichtsverlust, Müdigkeit, Leistungsabfall, Fieber: Wenn derartige Symptome immer wieder in Intervallen auftreten, besteht der Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED). Der Leidensweg eines Betroffenen zeigt sich vor allem im Alltag.

Wenn jemand weiß, dass er bis zu 20 Mal pro Tag und zu unvorhergesehenen Zeiten die Toilette aufsuchen muss, wird das Leben massiv belastet. Soziale Kontakte würden zum Teil abrupt abgebrochen, so beschreiben Ärzte und Betroffene den oft lange verheimlichten Leidensweg der CED-Erkrankten.

Reinisch unterstreicht, wie wesentlich ein konzentrierter Kampf für mehr Darmgesundheit ist. "Wir erleben derzeit eine Epidemie an Erkrankungen, die wir vor 50 Jahren nicht oder kaum kannten und die alle in gewisser Weise mit dem Darm zusammenhängen. Wir haben immer mehr junge Patienten, die chronische Krankheiten entwickeln. Die Zahl der Kinder, welche aufgrund schwerer chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen stationär behandelt werden mussten, stieg in Österreich in den letzten 15 Jahren um 100 Prozent. Bei Menschen bis zum 25. Lebensjahr verdoppelt sich die Mortalitätsrate, wenn sie unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden."

Trotz intensiver Forschung noch keine Heilung

Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa sind chronische Krankheiten mit denen die Betroffenen lebenslang konfrontiert sind. Sie betreffen Männer und Frauen gleichermaßen und beginnen typischerweise zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahrzehnt. Allerdings erkranken auch bereits Kinder. In den Laborbefunden können oft keine eindeutigen Beweise für Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa gefunden werden.

Somit sind zusätzliche Untersuchungen, insbesondere Darmspiegelungen, notwendig. Die Krankheit ist durch moderne Therapiekonzepte gut zu behandeln, obwohl trotz intensiver Forschung auch heute noch keine Heilung im eigentlichen Sinne möglich ist.

Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose kann es bei Morbus Crohn Monate bis Jahre dauern, da es vielfach mangelhaftes Wissen über die Symptome und Alarmsignale gibt. Einige funktionelle Störungen des Magen-Darm-Traktes weisen ähnliche Symptome auf, daher ist das Beachten typischer Morbus Crohn-Signale sehr wichtig, wie zum Beispiel Blut im Stuhl, Entzündungszeichen im Blut oder Stuhl, aber auch Fieber und Gelenkschmerzen. 

60 Prozent operative Eingriffe

Prinzipiell kann Morbus Crohn den kompletten Verdauungstrakt befallen, vom Mund bis zum After. Derzeit führt die Erkrankung an Morbus Crohn bei 60 Prozent aller Betroffenen im Endeffekt zu einem operativen Eingriff, so die Zahlen aus ECCO Guidelines.

Aktuelle Zahlen und Studienergebnisse zum Bereich chronisch-entzündliche Darmerkrankungen werden bei der internationalen Pressekonferenz "Join the fight against IBD" am 13. Februar 2013 in Wien vorgestellt. Am 14. Februar 2013 folgt eine Podiumsdiskussion zum Thema "Crohn's and Colitis in Europe: The burden of disease in young people". (red, derStandard.at, 19.12.2012)