Geschlechterrollen zu verkehren gehört zu den immer beliebter werdenden inszenatorischen Schachzügen unseres Emanzipationszeitalters. Hamlet als Frau oder Des Widerspenstigen Zähmung - frei nach William Shakespeares Heiratskomödie (das Volkstheater hat schon 2004 Männer- und Frauenrollen vertauscht). Es ist ein weites Feld, das da auf uns wartet: "Die Leiden der jungen Wertherin", "Frau der Ringe" oder "Mr. Daisy und seine Chauffeurin?"

Foto: ORF/Lotus Film/Yellow Bird Pictures/Gernot Roll

Auch beim Roman "Der kleine Lord" der britischen Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett (1849-1924) dreht man den Spieß nun einfach um: "Die kleine Lady" heißt ein neuer österreichischer Fernsehfilm. Das löbliche Kalkül, mit der aufgemöbelten Weiblichkeit in der "Kleinen Lady" (Drehbuch: Chris Boyle, Lavina Dawson und Tanya Fenmore) ein Stück Frauenrechtsbewegung des 19. Jahrhunderts mitzuerzählen, ist aber nicht aufgegangen. Das Bemühen ist sichtbar aufgesetzt.

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Die Fantasiegrafschaft Liebenfels zu Arlingen macht hier zwar Bekanntschaft mit dem Begriff "unabhängige Frau". Auch wird die Gräfin (Christiane Hörbiger) für diesen neuen Stand später Sympathie zeigen. Aber in der märchenhaften Weichzeichnung verkommt die Frauenpower-Mission zum Schreckgespenst.

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Ein Gutmensch-Kind mit blonden Korkenzieherlocken nervt hier mit seiner auf die Spitze getriebenen Perfektion: gut reiten, gut rechnen, immer freundlich sein, Gefühle wecken und für die Untertanen sozialverträgliche Lösungen finden - all das kann die Comtesse. Klar ist das ein Märchenplot. Aber richtig plott ist man, als das Mädchen zur Kampfrhetorik anhebt: "Wenn wir nicht selbst für unsere Anliegen eintreten, wer tut es dann!?" (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 18.12.2012)

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