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Studieren mit Kind? Geht es nach den Fachhochschulen, soll das kein Widerspruch sein.

Foto: APA/Fohringer

Familie und Beruf sind schon alleine schwer unter einen Hut zu bringen. Wenn dann wie bei Raimund Kennerth auch noch ein Studium dazukommt, ist "das schon enorm belastend für alle drei Bereiche", sagt der 35-Jährige. 33-Stunden-Arbeit, ein berufsbegleitendes Studium und zwei Söhne lassen sich nur im Team mit der Mutter der Kinder bewältigen. Trotzdem kann es zu zeitlichen Engpässen kommen: "Wenn da meine Frau und eines der Kinder krank wird, ist man echt froh, wenn alle Seiten verständnisvoll reagieren." Konkret zeigte sich die FH des bfi Wien, an der Kennerth studiert, sehr flexibel und ermöglichte dem Vater eine Pflegefreistellung. Kennerth konnte einen Teil der Lehrveranstaltung online absolvieren, musste nicht vor Ort anwesend sein und konnte sich so um seine kranke Familie kümmern.

So kann Familienfreundlichkeit aussehen, die bei der FH des bfi Wien, genau wie an der FH der Wirtschaftskammer Wien oder der FH Kufstein nicht nur im Einzelfall, sondern künftig auch standardisiert gelebt wird. Alle drei Fachhochschulen haben sich dem Audit "hochschuleundfamilie" unterzogen und wurden vom Wirtschafts- und Familienminister Reinhold Mitterlehner mit einem Zertifikat für ihre familienfreundlichen Bemühungen ausgezeichnet.

Neun Prozent haben Kinder

Denn Studieren mit Kind ist zwar noch nicht die Regel, von Einzelfällen kann man aber nicht mehr sprechen: Die aktuelle Studierenden-Sozialerhebung zeigt, dass bereits neun Prozent ihren Studienalltag mit einem oder mehreren Kindern bewältigen müssen; 15 Prozent davon sind sogar alleinerziehend. Das kann den Studienerfolg beeinträchtigen: Ein Drittel der Studierenden mit Kind sagt, dass sie im Vergleich zu ihren Kollegen nur mit geringerer Intensität studieren können. Sie profitieren also von Maßnahmen, die die Hochschulen für eine bessere Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie setzen.

An der FH des bfi Wiens ist Familienfreundlichkeit noch ein "neues Thema", sagt die Gender-Mainstreaming-Beauftragte Barbara Waldhauser. Man fördere aber die flexible und familienfreundliche Studienorganisation: "Weil es gerade für Eltern ohnehin einen Riesenspagat bedeutet, alle Termine zu vereinbaren, achten wir zum Beispiel auf Planbarkeit beim Studium." Kurzfristige Änderungen am Stundenplan gibt es nur in Ausnahmefällen.

Außerdem geht es der FH darum, den Studierenden mit Kind die gleichen Chancen wie jenen ohne zu bieten: "Sie sollen auch internationale Erfahrungen sammeln können." Konkret bedeutet das kürzere Austauschprogramme mit Partner-Instituten im Ausland, die auch für ein oder zwei Wochen möglich sind. Außerdem spricht Waldhauser mit Unternehmen, um für studierende Eltern Praktikumsplätze, die sich auch in Teilzeitarbeit bewältigen lassen, zu ermöglichen.
Curricula entmüllen

Entschuldigungsgrund

Diane Freiberger, die Leiterin des Qualitätsmanagements an der FH Kufstein, lässt derzeit die Studien- und Prüfungsordnung an der Fachhochschule auf ihre Familienfreundlichkeit hin überprüfen: "Wir haben bereits umgesetzt, dass Krankheiten von betreuungspflichtigen Familienangehörigen genauso wie beim Studierenden selbst auch ganz offiziell als Entschuldigungsgrund gilt."

Man will an der FH aber auch, soweit das im Rahmen der Bundesgesetze für Hochschulen möglich ist, Curricula entmüllen und weniger Relevantes durch neue Angebote ersetzen, die die künftigen Arbeitnehmer in Sachen Vereinbarkeit vorbereiten: "Wir wollen, wie das mit Sprachen schon üblich ist, auch persönlichkeitsbildende Module in allen Studiengängen verankern."

Eine Rolle spielt dabei das Zeitmanagement und die Selbstorganisation, aber auch ein neues Rollenverständnis bei den künftigen Führungskräften: Denn wenn Arbeitnehmer generell auch als mögliche Mütter und Väter gesehen werden, lassen sich Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit leichter in Unternehmen etablieren.

Väter in Karenz

Die FH Kufstein will deshalb Vorbild sein, Väter in Karenz werden genauso unterstützt wie Mütter. Und mit dem Dual-Career-Couples-Modell unterstützt man auch Familienangehörige bei der Kinderbetreuungs- und Arbeitssuche, wenn neue Lehrende an die FH geholt werden.

Auch an der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien wird Familienfreundlichkeit nicht nur als Sache, die Mütter und ihre Kinder betrifft, gedacht. Der stellvertretenden Geschäftsführerin der FH, Bettina Gneisz-Al Ani, geht es auch um die Vereinbarkeit für Väter und um die Pflege älterer Angehöriger.

Klassiker Kinderbetreuung

Weil das Studieren neben umfangreichen familiären Verpflichtungen stark belasten kann, beschäftigt man sich ähnlich wie an der ebenfalls zertifizierten kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems auch mit Burn-out-Prophylaxe. In die Praxis umgesetzt bedeutet das zum Beispiel drei kostenlose Coaching-Stunden für Studierende, in denen man über die individuellen Stressoren oder auch das Zeitmanagement sprechen kann.

Außerdem kommt man allen bei der Studien-Organisation entgegen: Die FH Wien der WKW stellt im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre Räumlichkeiten zum Beispiel auch für Gruppenarbeiten zur Verfügung, "damit man gleich im Anschluss an Lehrveranstaltungen weiterarbeiten kann und nicht noch zusätzliche Termine an anderen Orten koordinieren muss", erklärt Gneisz-Al Ani. Was es sonst noch braucht, wird derzeit auf einer eigens eingerichteten Facebook-Seite mit dem Titel "Studieren mit Kind an der FH Wien der WKW" gesammelt. Außerdem gibt es damit eine Plattform, mit der sich Studierende mit Kind vernetzen und austauschen können.

Die Medizinische Universität Graz bringt bereits einiges an Erfahrung in Sachen Familienfreundlichkeit mit: Weil die Uni mit fast 3200 Studierenden auch größer ist als die Fachhochschulen, lohnen sich hier bereits eigens eingerichtete Kinderbetreuungsangebote.

Kinder-Campus-Villen

Für Studierende wie Mitarbeiter gibt es ein Betriebstageseltern-Modell. Dafür wurden vier Kinder-Campus-Villen eingerichtet, wo insgesamt 40 Kinder im Alter zwischen null und sechs Jahren von Tagesmüttern und einem Tagesvater in kleinen Gruppen betreut werden können. Zusätzlich gibt es für die Kinderbetreuung zwischendurch eine Kooperation mit dem Verein M.A.M.A., über den sich Eltern stundenweise kostengünstige Kinderbetreuung zum Beispiel für einzelne Lehrveranstaltungen organisieren können. Weil der Bedarf an der Med-Uni Graz immer größer wurde und das öffentliche Angebot nach wie vor nicht überall reicht, wird bis 2014 außerdem ein Betriebskindergarten geschaffen. (Martina Madner, FH-STANDARD, 15.12.2012)