Dass der Chefredakteur eines Boulevardblattes eine öffentliche Entschuldigung wegen rassistischer Formulierungen publiziert, ist extrem selten und deshalb positiv hervorzuheben. In der U-Bahn-Zeitung "Heute" war in einem Bericht über den Mann, der vor einem Klagenfurter Kindergarten seine Frau erstochen hat, unter anderem der Satz zu lesen, dieser stamme ja aus einem Land, "wo das Gesäß beim Beten höher ist als der Kopf".

Christian Nusser heißt der Chefredakteur, Wolfgang Höllrigl einer der beiden Journalisten, denen die rassistische Bemerkung zuzuordnen ist. Der Name Höllrigl sagt vor allem dem jüngeren Zeitungspublikum wenig bis nichts, weil der bald 60-Jährige seine Glanzzeiten als Boulevard-Pranke schon länger hinter sich hat. Aus den vielen Titeln, für die er im Verlauf seiner Karriere verantwortlich war, sei nur einer erwähnt, weil er einen Leser-Proteststurm ausgelöst hat. Über eine Story zur Gründung einer Stätte für vereinsamte Menschen titelte er: "Wo Einsame einsamen".

Höllrigl ist der Typ des Lokaljournalisten, der "Auflage machen" (im Fernsehen heißt das "Quote machen") kann. Im Alleingang, mit saftiger Schreibweise, mit der Gabe für wirkungsvolle Titel. Aber auch mit einem Hang zum Derben und zur Zote. Sowie - eben jetzt - mit rassistischer Note, die ihm zum Verhängnis wurde.

"Hölli", wie er von der Kollegenschaft genannt wird, arbeitete für fast alle Verleger von Massenblättern, von Kurt Falk über Wolfgang Fellner bis Eva Dichand. Aber auch für Vera Russwurm, der dieser Vertreter der "Hardcore"-Abteilung des Journalismus eine Zeit lang willkommen war.

Verrohung und Überdrehung

Alle Genannten sind mitverantwortlich für Verrohung und Überdrehung im Journalismus, die in der Branche selbst heruntergespielt werden. Ein Beispiel: Jörg Haider wurde nicht deshalb so wählermächtig, weil er für seinen Rechtspopulismus kritisiert wurde. Befördert wurde seine Popularität durch Aufmacher, "Geheimpläne" (die es nie gab) und Fotostrecken in Massenzeitungen und Magazinen. Bis hin zu Jörg halbnackt. Von den Massenblättern werden politische "Aufreger" gleich (groß) behandelt wie Mörder (z. B. der Fall F.) oder Storys über das Rotlichtmilieu.

Ein Sektor, für den Höllrigl Spezialist ist. In der Branchenzeitung "Journalist" bekannte er 2009: "Mit der Zeit wirst du zynischer, außerdem habe ich wie im Fall F. eine 70-Stunden-Arbeitswoche. Der Wettbewerb ist der wahre Druck, du musst jeden Tag gegen eine Schar ausgeschlafener Reporter kämpfen."

Wie groß ihr Zynismus ist, das müssen sich freilich auch die Arbeitgeber der Sensationsreporter und Titelproduzenten fragen. Besonders dann, wenn sie in TV-Diskussionen und Fachdebatten das hohe Lied eines Journalismus singen, der vor allem unabhängig von moralischen Prinzipien ist.

"Heute"-Chef Nusser hat mit seinem Schritt natürlich nicht die Probleme des Boulevards gelöst. Aber dass er eine Grenze zum Rassismus gezogen hat, ist nicht nur für Österreich, sondern für die gesamte Branche eine Hoffnung. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 17.12.2012)