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Peter Kern spendierte eine Wurstsemmel.

Foto: APA/EPA/SEBASTIAN KAHNERT

Wien - Die Protestnoten zum Bauprojekt der Sängerknaben am äußersten Augartenzipfel waren heftig: fortissimo und mit Fermate. Des Städters Heiligstes, das Grün, gefährdet. Der Wut der Bürger setzte man ein Statement in Namensform entgegen: "MuTh" heißt der neue Konzertsaal. Eine Kurzformel für die Musik- und Theateraktivitäten, die stattfinden, aber auch ein Zeichen des Selbstbewusstseins. Eine Woche nach der Eröffnung mit den Philharmonikern und Franz Welser-Möst nun ein " Kongress über Mut", konzipiert von Carmen Brucic.

Kongress? Herzstück der Multiebenen-Muterkundung ist die Gesprächsmöglichkeit mit 99 "Mut-ExpertInnen" im Saal. Als Rahmenprogramm kann man das Haus vom Keller bis zum Schnürboden erkunden sowie dort eingerichtete Stationen, Installationen und Performances zu den Themen Mut, Theater und Sängerknaben. So viel? Uff. Eine Heerschar von Orientierungshelferinnen umschwirrt die Besucher, Fantasy-Punks mit Regenschirmröcken. Macht erst mal keinen Mut, sondern Angst. Die Flucht in den Alkohol liegt nahe, also nichts wie ab in die Mutschluck-Bar, im Direktionsbüro. Comichaft agierendes Laborpersonal checkt den Flüchtling per Fragebogen durch und kommt zur Diagnose: "earnestly lost".

Passt. Einen "Earnestly Lost" darf man dann auch trinken, aus dem Reagenzröhrchen ein leuchtend grünes Likörchen. In einer "Stimmbox" dann 15 Minuten Einzelstimmbildung mit einem "Sängermädchen" aus dem Chorus Juventutis. Debby, circa 16, ist spitze, ungefähr so groß wie ein Cello, spielt aber sonst Kontrabass und Geige. Man atmet in Bauch, Flanken und Rücken und singt zu zweit Locus iste, endlich mal wieder. Die Mut-Gespräche: Der Berichterstatter hat dafür Termine mit Franz Schuh, Peter Kern, Angelika Hager und Cecily Corti ergattert. Bei Philosophiefachmann Schuh konzentriert man sich heftig, bei Filmemacher Kern bekommt man eine Wurstsemmel, bei Journalistin Hager Einblicke in den Komplex der innerfamiliären Beziehungsarbeit, und die sich für Obdachlose engagierende Cecily Corti strahlt eine Ausgeglichenheit aus, dass man sich hernach fühlt wie nach einer Woche am Meer.

Gesprächserkenntnisse: Jeder Mensch ist ein Planet. Unterhaltungen mit unbekannten Menschen können bereichern. Prosaische Mut-Extrakte: Schuh war mal Soldat und mutig, Kern hasst Mut, den ORF und liebt die Freiheit. Hager war als Kind schüchtern, und Cortis Ausgeglichenheit ist die Folge eines bewegten Lebens. Soll man als weitgehend mutfreier Mensch also mutiger werden? Darüber kann man reden. (Stefan Ender/DER STANDARD, 17. 12. 2012)