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Zwei Romaa-Frauen müssen dabei zusehen wie ihr Haus demoliert wird.

Foto: REUTERS/STOYAN NENOV

In Wien will die VP Tabula Rasa mit der "Bettlermafia" machen: Mit jenem vorurteilsbestätigenden Denkkonstrukt, dass die BettlerInnen "Hintermänner" haben, also dass mit den Menschen, die mit Straßenzeitungen meist vor Supermärkten stehen (und die sich auch ohne Zeitungsverkauf über Bares freuen) "Profite gemacht" werden. Laut dem Landtagsabgeordneten und VP-Sicherheitssprecher Wolfgang Ulm soll dieses "getarnte Betteln" schleunigst "unterbunden" werden.

Weitere Amtshandlungen im Winter

In Salzburg hat die Polizei in den Salzach-Auen in den vergangenen Monaten wegen "katastrophaler hygienischer Zustände" immer wieder" "illegale Zeltlager" rumänischer BettlerInnen geräumt: Ende November etwa, indem sie zwei Zelte beschlagnahmte und deren Bewohnern eine Verwaltungsstrafe aufbrummte.

Die vier Rumänen waren gezwungen, das Weite zu suchen. Mit weiteren Amtshandlungen in den Auen sei auch im Winter zu rechnen, da man die BettelerInnen ebenso aus Abbruchhäusern, in denen sie vor der Kälte Schutz suchen vertreibe, wurde verlautbart. 

Soweit zwei Agentur-Meldungen, die mit dem dramatischen Foto zu diesem Blogeintrag aufs Erste nichts zu tun haben - aber nach kurzem Nachdenken durchaus: Auf dem Foto - von der Presseagentur als ein "Image Of The Year 2012" preisgekrönt - ist die Abtragung eines Hauses im bulgarischen Ort Maglizh zu sehen, das Angehörigen des Volkes der Roma gehörte. Zwei Frauen und ein Kind sind gezwungen, zuzuschauen, wie ihr ärmliches Heim auf amtliche Anordnung hin demoliert wird, weil es "illegal errichtet" worden war.

Warum Roma betteln

Es ist eine authentische Szene vom anderen Ende jenes Problemzusammenhangs, auf den (auch) in Österreich vor allem mit Bettel-Verbotsslogans und BettlerInnen-Vertreibungen reagiert wird: Weil die meisten, die bei uns betteln, Roma sind (auch wenn StreetworkerInnen, Caritas und andere NGOs wie die BettelLobby von wieder mehr Einheimischen berichten, die so verarmt sind, dass sie auf der Straße die Hand aufhalten müssen).

Und weil die Gründe, warum Roma aus Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und sonstwo in Osteuropa nach Österreich kommen, um zu betteln, in ihrer Verelendung und ihrer Entrechtung liegen.

Lange, miese Geschichte

So sind etwa Roma-Vertreibungen wie auf dem Foto keineswegs auf Bulgarien beschränkt - und sie haben eine lange, miese Geschichte: Die, die man früher verächtlich "Zigeuner" nannte (und es, wenn man die Herablassung sprachlich weitervermitteln will, weiter tut) werden in Europa seit Jahrhunderten vielfach als "lästig", "diebisch", "arbeitsscheu" usw. abgelehnt und ausgegrenzt - bis hin zur Verfolgung und Ermordung im Nationalsozialismus. Und seit dem Fallen des Eisernen Vorhangs in der 1990er-Jahren ist auch der Westen Europas wieder mit den massiven Problemen dieses letzten, verfolgten, alten Volkes des Kontinents konfrontiert: In Gestalt der BettlerInnen.

In der zweitgrößten rumänischen Stadt Cluj Napoca nun haben sich 320 Romafamilien, nachdem sie vor zwei Jahren aus ihren Wohnungen im Stadtzentrum vertrieben wurden und seither am Stadtrand unweit einer Mülldeponie leben müssen, zur Gegenwehr entschlossen.

Dieser Tage planen sie eine Protestkundgebung vor dem Rathaus: Sie fordern andere Unterkünfte als ihre derzeitigen: Container mit 18 Quadratmetern pro (Groß)familie, mit nur einer Toiletten- und Duscheinheit für drei Familien, in einer Siedlung, die nur zweimal täglich eine Busverbindung ins Zentrum hat.

Amnesty-Aktion von 16. bis 19.12. in Cluj Napoca

Bei diesen Protesten werden sie von Amnesty International unterstützt - und zwar vor Ort. Eine Delegation österreichischer Amnesty-AktivistInnen wird von Sonntag, den 16. 12. bis Mittwoch, den 19.12. mit ihnen gemeinsam vor dem Amtssitz Bürgermeister Emil Bocs stehen, ihm mit den Roma-SprecherInnen gemeinsam eine Petition überreichen und eine Informationsveranstaltung durchführen.

Das gemeinsame Ziel: Druck machen, sodass die Roma von Cluj Napoca Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und ausreichend ärztlicher Versorgung bekommen. Und, dass die Stadt sie in die kommunale Wohnungspolitik mit einbezieht, sodass sie bald wieder menschenwürdig leben. So, wie es den Menschenrechten entspricht, die vor Diskriminierung ebenso wie vor Armut schützen sollen (auch wenn Letzteres in Europa und anderswo derzeit wie eine Fiktion erscheint).

Was die Roma Osteuropas betrifft, wäre das eine Grundlage, um dem perpetuierten Elend zu entkommen - und damit den Lebensumständen, die dazu führen, dass viele von ihnen, um zu überleben, nur als BettlerInnen im Westen eine Chance sehen. (Irene Brickner, derStandard.at, 15.12.2012)