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Schlange stehen für eine neue Verfassung in Ägypten.

Foto:Khalil Hamra/AP/dapd

Kairo - Neuer Machtkampf in Ägypten: Knapp zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Hosni Mubarak sind insgesamt 51 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, über den umstrittenen Entwurf einer neuen Verfassung abzustimmen. Am Samstag begann in zehn Provinzen die erste Runde. Die Opposition kündigte an, mit Nein zu stimmen. Sie wirft den Islamisten vor, sie wollten Ägypten in Richtung Gottesstaat manövrieren. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi fordern genau das. Am kommenden Samstag soll in den restlichen 17 Provinzen gewählt werden.

Vor Wahllokalen in Kairo und Alexandria herrschte zum Teil überraschend großer Andrang, wie Augenzeugen berichteten. Um Zusammenstöße zwischen Islamisten und Oppositionellen zu vermeiden, sicherte nach offiziellen Angaben eine Großaufgebot von 300.000 Sicherheitskräften - unter ihnen 130.000 Polizisten - die Wahllokale ab. Nach blutigen Ausschreitungen im Vorfeld des Referendums blieb am Wahltag zunächst alles friedlich. Die Wahllokale bleiben wegen des großen Andrangs zwei Stunden länger geöffnet. Das gab die Wahlkommission nach Angaben staatlicher Medien Samstagmittag bekannt. Statt um 19.00 Uhr Ortszeit (18.00 MEZ) sollen die Wahllokale in zehn Provinzen erst um 21.00 Uhr schließen.

Nach Annahme folgt Neuwahl

Wird der Verfassungsentwurf angenommen, muss innerhalb von zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden. Das erste nach dem Sturz von Mubarak gewählte Unterhaus wurde im Sommer von einem Gericht aufgelöst. Dort hatten die Islamisten eine deutliche Mehrheit. Lehnt eine Mehrheit der Wähler den Entwurf ab, muss eine neue Verfassungsgebende Versammlung gewählt werden. Diese hat dann sechs Monate Zeit, einen Entwurf zu erarbeiten.

Der Verfassungsprozess hat das bevölkerungsreichste arabische Land tief gespalten. Der Entwurf war von den islamistischen Muslimbrüdern mit Unterstützung der radikalen Salafisten im Eiltempo erarbeitet und durchgeboxt worden. Linke und Liberale sowie die Christen verließen aus Protest das Gremium. Aus ihrer Sicht handelt es sich um eine Verfassung für die Islamisten und nicht das ganze ägyptische Volk. Sie bemängeln unter anderem das islamisch-konservative Weltbild.

Die Gegner befürchten, dass Grundrechte eingeschränkt werden können, weil die Verfassung die Macht der Religionsgelehrten zulasten der Justiz ausweitet. So sollen die Scheichs des renommierten sunnitisch-islamischen Al-Azhar-Instituts ein Mitspracherecht bei der Gesetzgebung haben und auch in alle anderen wichtigen Streitfragen einbezogen werden. Das könnte - bis ins Privatleben hinein - zu einer strengeren Auslegung der Scharia führen, die die wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleibt. Journalisten befürchten eine Einschränkung der Pressefreiheit.

Die Stimmen aus der ersten Runde sollen in den kommenden Tagen ausgezählt werden. Unklar ist, ob oder wann vorläufige Ergebnisse bekannt gegeben werden. Die Opposition vor einer Veröffentlichung gewarnt, weil damit aus ihrer Sicht die Abstimmung in der kommenden Woche beeinflusst werden könnte. Dann sollen 25 der insgesamt 51 Millionen Wahlberechtigten wählen. Die Aufteilung in zwei Wahlrunden wurde wegen eines Boykotts von Richtern notwendig. Es fanden sich nicht genug Richter, um das Referendum an einem Tag landesweit zu überwachen. Auslandsägypter können noch bis Montagabend abstimmen. (APA, 15.12.2012)