Als Politiker, zumal als Politiker in Österreich, lebst du in deiner eigenen Parallelrealität. Du gehst über die Märkte, bist, wenn du es halbwegs kannst, leutselig, die Leute reagieren (bis auf den angetrunkenen Grantler da drüben am Würschtelstand) recht zivilisiert. Die Umfragen sind auch o. k. Dann glaubst du, du bist eh beliebt.

Bei der Arbeit hast du in deinem Kabinett einen engen Kreis von extra ausgesuchten, meist jungen, Mitarbeitern um dich, die dich tendenziell bestärken. Dann gibt es noch die eingesessenen Beamten aus der Hochbürokratie, manchmal sogar von einer anderen Couleur. Manche sind loyal, manche nicht, aber meist nicht so, dass es auffällt. Sie verschanzen sich oft hinter ihrem rechtlichen Gerüst und halten sich meist raus.

Dann gibt es die Partei. Dort sind manche wohlgesonnen, viele eher nicht. Einen echten Austausch gibt es selten. So lebst du dahin als Politiker in einem doch abgeschotteten Biotop. Und dann passiert die Katastrophe. In deinem Bereich. Du hast zwar irgendwie gewusst, dass da ziemlich riskante Sachen passieren, aber dafür gab es ja die Experten. Jetzt aber bist du dran. Deine erste Reaktion: verdrängen, verleugnen, auf andere abschieben. Die Realität nicht zur Kenntnis nehmen. Glauben, dass du damit durchkommst. Wütend sein (meist auf die Medien, manchmal auf die Justiz). Dann sickert die Erkenntnis: Es geht nicht mehr. Dann trittst du, meist zu spät, zurück. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 15./16.12.2012)