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Das Line-up der US-Außen- und Sicherheitspolitiker: Exgeneralstabschef Mike Mullen, Sicherheitsberater Tom Donilon, Senator John Kerry, Botschafterin Susan Rice und Außenministerin Hillary Clinton.

Foto: EPA/CHIP SOMODEVILLA/POOL AFP OUT

Als John Kerry aus Vietnam zurückgekehrt war, fasste er klipp und klar zusammen, was er von dem Krieg in der asiatischen Ferne hielt. "Was sagen Sie einem Mann, wenn Sie ihn auffordern, der Letzte zu sein, der für einen Fehler stirbt?", fragte er, geladen als Zeuge, um im außenpolitischen Senatskomitee auszusagen. 1971 war das, und seitdem steht der elegante Herr aus dem eleganten Boston im Rampenlicht.

Heute leitet er den Ausschuss, vor dem er seinerzeit seinen spektakulären Auftritt hatte. Wenn nicht alles täuscht, wird er Amerikas nächster Außenminister, nachdem Susan Rice, seine härteste Rivalin, ihren Verzicht erklärt hat. Theoretisch könnte er auch das Pentagon leiten, doch da gilt Chuck Hagel, einer der wenigen verbliebenen Republikaner der Mitte, als Favorit.

Kritiker des Irak-Feldzugs

Jedenfalls hat sogar die Opposition bereits signalisiert, dass sie einen Chefdiplomaten Kerry für eine "populäre Wahl" halte und ihm im Bestätigungsverfahren keinerlei Hürden in den Weg stellen würde. Ganz frei von Ironie ist das Lob nicht: 2004, als er antrat, George W. Bush im Oval Office abzulösen, ließen die Republikaner kein gutes Haar an dem Mann. Unter einem Präsidenten Kerry, zeterten sie, würden die USA die Verantwortung für ihre nationale Sicherheit bei der Uno abgeben. Bushs raffinierter Stratege Karl Rove mobilisierte die Swift-Boat-Veteranen, die behaupteten, der Schnellbootkommandeur John Kerry habe seine Heldentaten im Mekongdelta blumig ausgeschmückt, um sich Tapferkeitsmedaillen zu erschwindeln.

Dafür profilierte sich der Verlierer nach seiner Wahlniederlage als scharfer Kritiker des Feldzugs im Irak, obwohl auch er die Invasion anfangs abgesegnet hatte. Unter Bush, dozierte er 2007 beim Weltwirtschaftsforum in Davos, seien die USA "eine Art Paria" geworden. Studenten im kalifornischen Pasadena legte er auf launige Weise ans Herz, fleißig zu lernen - "Tut ihr das nicht, bleibt ihr im Irak hängen." Ein Privilegierter, steinreich nach seiner Hochzeit mit der Ketchup-Erbin Teresa Heinz, verhöhne die Boys in Uniform, polterten seine Gegner.

Keine ersten Wahl

Die Kontroversen sind vergessen, mittlerweile hat sich der Grandseigneur der Demokraten im Stile eines altersweisen Elder Statesman als Sonderbotschafter in kniffligen Fällen bewährt. Nachdem ein Trupp Navy Seals Osama Bin Ladens Versteck in Abbottabad gestürmt hatte, war es Kerry, der die Wogen im Verhältnis zu Pakistan zu glätten half. In Afghanistan überzeugte er den zaudernden Staatschef Hamid Karsai, eine Stichwahl fürs Präsidentenamt abzuhalten, da die erste Runde des Votums im Zeichen schwerer Betrugsvorwürfe stand.

Allerdings, erste Wahl für die Nachfolge Hillary Clintons war Kerry nicht. Wäre es allein nach Obama gegangen, säße demnächst Susan Rice im State Department, die UN-Botschafterin mit eher undiplomatischem Hang, auch vor laufenden Kameras Klartext zu reden. Rice hat denselben illusionsfreien Blick auf die Welt wie der Präsident, nostalgisches Beschwören früherer amerikanischer Stärke ist nicht ihre Sache. Nur fehlt ihr offenbar jenes diplomatische Geschick, das helfen kann, Konflikte zu entschärfen, auch solche in der Washingtoner Schlangengrube.

Ihre Nominierung hätte nur endlosen Parteienstreit ausgelöst und abgelenkt von den wahren Prioritäten, begründete sie ihre Entscheidung. Worauf Kerry, ganz Gentleman, einmal mehr ein feines Händchen bewies. Er fühle mit ihr, sagte er, "als jemand, der auch schon seine Portion an Attacken abbekam und versteht, wie hart Politik manchmal sein kann". (Frank Hermann, DER STANDARD, 15.12.2012)