Kurz vor Beginn der Shabbat-Ruhe überraschte Avigdor Lieberman die Israelis am Freitag mit der Mitteilung, dass er doch als Außenminister zurücktreten werde. "Obwohl ich keinerlei Vergehen verübt habe", so Lieberman in einer schriftlichen Erklärung, habe er beschlossen, sofort auf seine parlamentarische Immunität zu verzichten: "Nach 16 Jahren, in denen gegen mich Ermittlungen laufen, werde ich meinen Namen vollständig reinwaschen können." Die Linksopposition begrüßte den Schritt.

Am Donnerstag hatte der Generalstaatsanwalt mitgeteilt, Lieberman wegen Vertrauensbruchs und Betrugs im Zusammenhang mit der Ernennung eines Botschafters anzuklagen. Zugleich war eine viel schwerer wiegende Akte, in der Lieberman der Bestechung und Geldwäsche verdächtigt wurde, geschlossen worden.

"Ich brauche nicht zurückzutreten"

Kurz danach hatte Lieberman noch signalisiert, dass er im Amt bleiben wolle. Er werde sich mit seinen Rechtsanwälten beraten, aber "ich brauche nicht zurückzutreten", hatte der 54-jährige rechtspopulistische Politiker bei einer Parteiveranstaltung unter dem Beifall seiner Anhänger erklärt. Nach wie vor will Lieberman offenbar bei den Parlamentswahlen am 22. Jänner kandidieren.

Der konservative Likud von Premier Benjamin Netanjahu und Liebermans Partei Israel Beitenu ("Unser Haus Israel") treten mit einer gemeinsamen Liste an, auf der Lieberman die Nummer zwei ist. Netanjahu wird jetzt keinen Ersatz für Lieberman ernennen, sondern das Außenamt interimistisch selbst übernehmen. (Ben Segenreich, DER STANDARD, 15./16.12.2012)